„Gut“ bis „geht so“ – so beurteilen Kinder und Jugendliche in Deutschland das, was ihnen in ihrer Schule mittags zum Essen auf den Tisch gestellt wird. Top-Noten sind das zwar nicht. Doch vieles hat sich in den vergangenen Jahren schon verbessert. Und Fachleute sind sich sicher, dass noch bessere Noten drin sind. Mehr Geld spiele dafür gar nicht die entscheidende Rolle.
Engagement und Kommunikation dafür umso mehr. Das stellt fest, wer sich zum Beispiel mit Ursula Tenberge-Weber von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen unterhält. Die ausgebildete Ökotrophologin leitet die Vernetzungsstelle Schulverpflegung des Landes und greift Schulen, deren Trägern, also in der Regel den Kommunen, und anderen Beteiligten seit 2008 dabei unter die Arme, möglichst erstklassiges Essen in die Schulkantinen zu zaubern.
Das, sagt sie, sei zwar kein Hexenwerk. Aber „immer ein langer Prozess“. Alleine schon weil so viele Parteien mit unterschiedlichen Interessen dafür in ein Boot geholt werden müssten: Die Schulen, die das Essen anbieten (müssen). Die Eltern, die es bezahlen und ihre Kinder gesund versorgt wissen wollen. Die Schulträger, die die Verträge mit den Lieferanten schließen. Die Caterer und selbstverständlich die Schülerinnen und Schüler, um deren gesunde Ernährung es schließlich geht. Die das, was ihnen vorgesetzt wird, gerne essen möchten.
„Herausforderungen nach wie vor groß“
Im Moment ist das noch nicht überall der Fall. Das offenbarte im Herbst 2014 eine deutschlandweite Erhebung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Tausende Schulen nahmen daran teil, über 12.000 Kinder und Jugendliche wurden befragt. „Vieles hat sich verbessert, aber die Herausforderungen sind nach wie vor groß“, fasst Studienleiterin Professorin Ulrike Arens-Azevedo deren Ergebnisse zusammen. Die Vielfalt des Angebots und die Qualität des Schulessens könnten „häufig noch deutlich verbessert werden“.
Das ist eine deutliche Kritik an der derzeitigen Lage, die umso mehr erstaunt, als das Rezept für eine gute Schulverpflegung ziemlich eindeutig und lange bekannt ist. Die Grundzutaten lassen sich im entsprechenden Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nachlesen. Zur Mittagsverpflegung empfehlen die Ernährungsexperten darin vor allem Vollkornprodukte, Reis und Kartoffeln, Gemüse und Salat, frisches Obst, zweimal wöchentlich mageres Muskelfleisch und einmal wöchentlich Seefisch. Und selbstverständlich Getränke, die erfrischen, aber nicht vor Kalorien strotzen.
Zu oft ist das Bild in deutschen Schulkantinen aber noch ein anderes. Viele Schulspeisepläne, sagt Tenberge-Weber, seien „zu eintönig, mit zu wenig Gemüse oder zu fleischlastig“. Auch die Kantinen seien häufig noch wenig ansprechend, sodass gerade ältere Schülerinnen und Schüler sie mieden und stattdessen zur nächsten Dönerbude liefen. Darüber ärgern sich dann viele Eltern, die schließlich für die Verpflegung ihrer Kinder zahlen. Die Caterer wiederum, die ohnehin unter hohem Preisdruck arbeiten, fahren noch weniger Rendite ein, da weniger Essen über die Theke gehen.
Die Lage ist kompliziert, gelinde gesagt. „Aber den ‚Schwarzen Peter’“, sagt Tenberge-Weber, „hält niemand alleine in der Hand“. Und es sei möglich, ihn komplett aus dem Spiel zu nehmen – eben mit Engagement und Kommunikation. „Am Anfang braucht es immer jemanden, der sich dafür einsetzt, dass die Kinder und Jugendlichen gerne in der Schule essen“. Die Schulleitungen spielten dabei eine Schlüsselrolle, und die Schulträger, in der Regel also die Kommunen, die die Verpflegung ausschreiben und vergeben. Nur fehlt es den Verantwortlichen eben oft an Zeit für dieses Engagement – und manchmal auch an Sachverstand.
Genau da setzen die Vernetzungsstellen an. Sie beraten die Schulen und deren kommunale Träger und helfen ihnen zum Beispiel dabei, Verträge mit den Caterern zu schließen, die sich verbindlich am DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung orientieren oder dabei, einen „Mensaauschuss“ in der Schule zu installieren, in den sich möglichst viele Beteiligte mit ihren Vorstellungen einbringen können. Tenberge-Weber: „Wir erklären ihnen dann ganz genau, wie sie ihre Vorstellungen umsetzen können.“ Und das funktioniere, fügt sie hinzu, sehr gut sogar.
Mehr Zufriedenheit durch Mitsprache
Dass dieser Prozess Früchte trägt, lässt sich nicht nur in Nordrhein-Westfalen beobachten, wo sich laut Tenberge-Weber in den vergangenen Jahren „schon viel zum Guten gewendet hat“. Das zeigt sich auch in Berlin, einem Stadtstaat mit ganz anderen Herausforderungen als dem Flächenland NRW. Dennoch gilt auch hier: Seit die Schulen per neuem Schulgesetzt ein gewichtiges Wort bei der Schulverpflegung mitzureden haben, mitentscheiden dürfen, welcher Caterer was zu welcher Qualität liefert, hat sich die „Zufriedenheit mit der Schulverpflegung spürbar erhöht“.
Das sagt Sabine Schulze-Greve, die Leiterin der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin und Sprecherin der im Rahmen des Nationalen Aktionsplans IN FORM geförderten 16 Vernetzungsstellen in den Bundesländern. Die „hohe Kunst“, sagt sie, sei es, vor allem bei älteren Schülerinnen und Schülern die Akzeptanz für das Schulessen zu fördern, damit möglichst viele mitessen und die Caterer ihre Leistung zu einem vernünftigen Preis anbieten können. Und um dahin zu kommen, gebe es eine einfache Regel: „Schulen sollten sich nicht nur beliefern lassen und erst dann aktiv werden, wenn sie unzufrieden sind, sondern regelmäßig das Gespräch mit allen Beteiligten suchen.“
Je besser die Kommunikation zwischen Schule, Schulträger und Caterern sei, desto besser sei auf jeden Fall die „gefühlte“ Qualität des Schulessens. Um aber kompetent auftreten und verhandeln zu können, bräuchten die Schulleitungen zunächst eigene Expertise. Die Vernetzungsstellen böten ihnen Unterstützung, sich diese anzueignen. Auch die erwähnte Studie des BMEL hebt die Bedeutung dieser Hilfestellung deutlich hervor. Darin heißt es: „Die Vernetzungsstellen bleiben der Dreh- und Angelpunkt“, wenn es um die Verbesserung der Schulverpflegung gehe. Ihre Arbeit werde „auch in den nächsten Jahren erforderlich bleiben“. Eben weil noch nicht alles Gold ist in Deutschlands Schulkantinen.
Gelebte Ernährungs- und Verbraucherbildung
Tenberge-Weber und Schulze-Greve wissen das. Und sehen Lücken, die es noch zu füllen gilt. Zum Beispiel sei es wichtig, dass die Schulen auch nach Abschluss eines guten Catering-Vertrages immer wieder die Qualität des gelieferten Essens überprüfen. Nur fehlen auch dazu meistens die Zeit und der fachliche Hintergrund. Das Land Berlin richtet deswegen gerade eine neue Fachkontrollstelle ein, die die ernährungsphysiologische und sensorische Qualität künftig stichprobenartig oder anlassbezogen überprüfen soll.
Schulze-Greve sagt, enorm wichtig sei es zudem, das „gemeinsame Mittagessen als Teil einer fächerübergreifenden ‚gelebten’ Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Schule zu verstehen“. Und das heiße eben auch, die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend zu schulen und sie dafür zu gewinnen, selbst am Mittagessen teilzunehmen. „Lehrkräfte haben auch hier eine wichtige Vorbildfunktion“, sagt sie. Außerdem müsse die Grundlagenforschung gestärkt werden. „Wir wissen noch viel zu wenig darüber, welchen Einfluss die Schulverpflegung auf spätere Ernährungsgewohnheiten hat.“
NRW-Expertin Tenberge-Weber kann sich zwar konkretere Vorgaben des Gesetzgebers in Hinblick auf die Schulverpflegung vorstellen. „Die müssten aber auch finanziert werden“, sagt sie. Nur sei das angesichts klammer Kassen politisch kaum durchsetzbar. Das mache Engagement und Kommunikation umso wichtiger. Denn: „Es hat sich schon viel zum Guten gewendet. Und das liegt vor allem daran, dass immer mehr Beteiligte die Bedeutung einer guten Schulverpflegung verstehen und sich gemeinsam an einen Tisch setzen, um nach guten Lösungen zu suchen.“ Sie sei sicher, dass es sich lohnt, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Datum: 16.09.2015
Gute Schulverpflegung: Da muss man drüber reden…
Vernetzungsstellen als Dreh- und Angelpunkt