Wie sieht es mit der digitalen Ausstattung an deutschen Schulen aus? Bekommen Schülerinnen und Schüler die nötigen digitalen Kompetenzen vermittelt? Zwei aktuelle Studien beschäftigen sich mit diesen Fragen: Der „Monitor digitale Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung und die Analyse „Kompetenzen in der digitalen Welt“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Das Ergebnis ist insgesamt ernüchternd.
Der „Digitalpakt“ für Schulen ist das Großprojekt von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Im Oktober 2016 hatte sie überraschend verkündet, Schulen fünf Milliarden Euro für die digitale Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Mit Spannung wird erwartet, ob das Geld nach der Wahl nun tatsächlich an die Schulen fließt. Angela Merkel hatte Befürchtungen bereits vor der Wahl zurückgewiesen. „Wir werden den Digitalpakt mit den Ländern schließen“, so die Bundeskanzlerin. Sie wolle das Thema in den Koalitionsverhandlungen auf die Tagesordnung setzen.
Angekündigtes Ziel ist es, die 40.000 Schulen in Deutschland mit digitalen Endgeräten sowie WLAN-Verbindungen in den Klassenräumen auszustatten. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist dieses Geld auch dringend nötig, denn für besseres digitales Lernen fehlt zurzeit häufig die nötige Technik. Für den „Monitor digitale Bildung“ hat die Bertelsmann-Stiftung rund 2.000 Schülererinnen und Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen sowie Experten aus Politik und Verwaltung befragt. Er kann damit als Bestandsaufnahme verstanden werden, wie es tatsächlich in den Klassenzimmern verschiedener Bildungseinrichtungen zugeht.
„Monitor digitale Bildung“: Mangelnde Ausstattung
Laut der Bertelsmann-Studie ist nur jeder dritte Lehrer mit der Bandbreite des Internet-Zugangs seiner Schule zufrieden. 20 Prozent geben an, überhaupt kein WLAN an der Schule zu haben. 74 Prozent bemängeln darüber hinaus die unzuverlässige Medientechnik, 62 Prozent vermissen professionellen IT-Support. Auch ungeklärte Lizenz- und Datenschutzfragen werden von 58 Prozent der Pädagogen als wesentliche Hürden benannt.
Neben der technischen Ausstattung erfragte der „Monitor digitale Bildung“ auch die Einstellung der Lehrkräfte und Schulleitungen zur digitalen Bildung. Demnach fehlt es an den Schulen nicht nur an Geräten und Internet-Anschlüssen, sondern vor allem auch an Konzepten, wie digitale Medien im Unterricht einzusetzen sind. Zwar sind 70 Prozent der Schulleitungen und Lehrkräfte davon überzeugt, dass digitale Medien ihre Schule attraktiver machen, allerdings glaubt nur etwa jeder Vierte (23 Prozent), dass digitale Medien auch die Lernergebnisse der Schüler verbessern. Ganz anders bewerten Schülerinnen und Schüler selbst ihren digitalen Lernerfolg: 80 Prozent meinen, dass sie durch Lernvideos, Internetrecherche oder moderne Präsentationsprogramme aktiver und aufmerksamer seien und wünschen sich einen vielseitigeren Einsatz digitaler Medien.
Ein weiteres Problem: Um ihre Weiterbildung müssen sich die Lehrkräfte zumeist selbst kümmern. „Der sinnvolle Einsatz digitaler Medien muss selbstverständlich in der Weiterbildung und Pflichtprogramm in jedem Lehramtsstudium werden. Digitalisierung darf für Lehrkräfte nicht als zusätzliche Belastung erscheinen, sondern sollte Teil der Lösung für ihre pädagogischen Herausforderungen sein“, so Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Dazu sei es auch nötig, mehr Transparenz über die Qualität digitaler Lernmaterialien zu schaffen und den digitalen Wandel als unverzichtbaren Teil jedes Schulentwicklungsprozesses zu verstehen.
„Kompetenzen in der digitalen Welt“: Nachholbedarf in Deutschland
Wie dringend die fünf Milliarden Euro aus dem Digitalpakt an deutschen Schulen gebraucht würden, zeigt auch die Studie „Kompetenzen in der digitalen Welt“, die Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn, im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt hat. Ihr Fazit der Analyse der aktuellen Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern: Digitale Bildung sei noch nicht flächendeckend in Schulen angekommen. „Wir laufen hinterher“, so Eickelmann. „Andere Länder wie Dänemark, die Niederlande, Österreich und die Schweiz sind deutlich weiter als wir.“ Das betreffe die technische Ausstattung ebenso wie die Kompetenzen der Schüler.
Eickelmann lobt in ihrer Expertise, dass die Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK) 2016 die gemeinsame Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ beschlossen haben. Im Mittelpunkt steht dabei ein Kompetenzrahmen, der ab dem Schuljahr 2018/2019 in allen Bundesländern gelten soll. „Mit dieser Strategie liegen erstmalig gemeinsame Zielsetzungen für den Schulbereich vor“, schreibt Birgit Eickelmann in ihrem Bericht. Gleichzeitig macht die Professorin für Schulpädagogik deutlich, dass Schulen nicht auf die adäquate technische Ausstattung, die passenden Fortbildungen und den entsprechenden Lehrplan warten sollten. „Die Schulen müssen einfach anfangen.“ Es sei Aufgabe der Schulen, Kinder und Jugendliche auf ein selbstbestimmtes Handeln in einer mediatisierten Gesellschaft vorzubereiten.
Lizenzfreie Informationsquellen und digitale Schulbücher
Birgit Eickelmann hat konkrete Vorstellungen, wie sich Schulen eigenständig auf den Weg machen könnten. Als gelungene Beispiele nennt sie Schulen, an denen die Schüler ihre eigenen Geräte mitbringen oder auf Leihgeräte der Schule zurückgreifen können sowie Schulen, an denen bereits digitale Lernplattformen eingerichtet wurden, die die Schüler auch von zu Hause erreichen können. Eine Schlüsselrolle sieht die Pädagogin auch in der Verwendung lizenzfreier und offen zugänglicher Informationsquellen, den „Open Educational Resources“ (OER). Darüber hinaus befürwortet Eickelmann die Einrichtung einer zentralen Cloud für alle Schulen – in der Art, wie auch Bildungsministerin Johanna Wanka sie im Zuge ihres Digitalpakts angekündigt hat.