Wie ticken Jugendliche? Dieser Frage geht alle vier Jahre die SINUS-Jugendstudie nach. Die aktuelle Erhebung zeigt: Die junge Generation ist ernster und problembewusster als ihre Vorgänger. Für Bildungsakteure ergibt sich aus den Studienergebnissen Handlungsbedarf. Lösungen finden sie in der Verbrauchbildung.
Etliche Studien versuchen seit Jahren Stimmung, Lebenswelten und Haltung der Jugend zu vermessen und zu ergründen. Egal ob die renommierte Shell-Studie, die neue Untersuchung „Zukunft? Jugend fragen“ vom Bundesumweltministerium oder eben die SINUS Jugendstudie – die „Jugend von heute“ ist ein beliebter Forschungsschwerpunkt.
Die diesjährigen Ergebnisse der SINUS-Jugendstudie zeigen, dass der Zukunftsoptimismus der 14- bis 17-Jährigen hierzulande im Jahr 2020 einen Dämpfer erhalten hat. Selbst wenn man die Corona-Krise nicht mit in Betracht zieht, zeigt sich eine zunehmende Ernsthaftigkeit und Besorgnis bei der jüngeren Generation. „Fast scheint es, als sei der Jugend der Spaß abhandengekommen“, heißt es im Fazit der Studie. Vollständig düster sieht es aber nicht aus. So fand das Forscherteam auch heraus, dass im Allgemeinen keine generelle, allumfassende Unzufriedenheit unter den Jugendlichen herrscht. Vielmehr geraten einzelne Themenfelder ins Blickfeld der jugendlichen Kritik.
Kernpunkt Klimawandel
Eines der Topthemen: der Klimawandel. Die Folgen der Klimaveränderung zu meistern wird als eine der wichtigsten Aufgaben der Politik gesehen. Die Jugendlichen haben großes Interesse am Bereich Klima und Umwelt. ihre große Beteiligung an den Fridays-for-Future-Demonstrationen macht laut Studienautoren jedoch Hoffnung, dass junge Menschen sich stärker für globales Engagement öffnen. Viele Junge fühlen sich aber von der Politik weitestgehend ungehört. Sie beklagen die fehlende Teilhabe der jungen Generation an politischen Entscheidungsprozessen und die mangelnde Repräsentation im politischen Raum. „In einer zunehmend globaleren Welt, sehen wir die in der Studie abzulesenden Sprachlosigkeit junger Menschen gegenüber dem Weltgeschehen als Alarmsignal. Insbesondere Jugendliche mit niedriger formaler Bildung dürfen in unserer vernetzten Welt nicht abgehängt werden“, kommentiert Lisi Maier die Studienergebnisse. Sie ist Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), der auch an der SINUS Jugendstudie beteiligt ist. „Um das zu verhindern müssen sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext Erfahrungen der Selbstwirksamkeit geschaffen und Zusammenhänge jugendgerecht erklärt werden.“
Chance für Verbraucherbildung
Aus den Anliegen der jungen Generationen ergeben sich vielfältige didaktische und pädagogische Möglichkeiten Das gilt insbesondere im Bereich der Verbraucherbildung, die den Bereich Nachhaltiger Konsum & Globalisierung einschließt. Wenn Lehrkräfte diesen Themenkomplex bewusst in den Schulunterricht aufnehmen, treffen sie – den Ergebnissen der SINUS Jugendstudie folgend – automatisch den Nerv der Jugendlichen und befähigen sie dazu, nachhaltige Zukunftsentscheidungen zu treffen. Schulen, die Verbraucherbildung erst noch ins Klassenzimmer bringen wollen, können sich Impulse im „Netzwerk Verbraucherschule“ holen. Als Verbraucherschule ausgezeichnete Bildungseinrichtungen machen vor, wie man das Thema Nachhaltigkeit in den Schulalltag integrieren kann. Zum Beispiel mit der Bewirtschaftung eines schuleigenen Gemüsegartens, dem Verkauf fair gehandelter Produkte im Schulkiosk oder mit Workshops zum Energiesparen.
„Die Konsumwelt ist allgegenwärtig und beeinflusst massiv und aggressiv die heutige Lebenswelt. Je besser es uns gelingt, bei unseren Schülerinnen und Schülern ein starkes Selbstverständnis als Verbraucherinnen und Verbraucher zu entwickeln, und je früher sie lernen, kritisch und souverän zu konsumieren, desto besser“, berichtet Claudia Kremer, Schulleiterin des Berliner Carl-Friedrich-von-Siemens-Gymnasium, das zuletzt zusammen mit 57 Schulen aus 13 Bundesländern als Verbraucherschule ausgezeichnet wurde. Engagement in puncto Verbraucherbildung und Nachhaltigkeit kommt bei der Schülerschaft an. Das bestätigt auch Schülerin Lilli Pauline Nix, die zum Zeitpunkt der Verleihung die 9. Klasse besuchte: „Glücklicherweise spielt Nachhaltigkeit in unserem Schulalltag eine große Rolle. Das Besondere an unserer Schule ist die Art, wie Umweltschutz vermittelt wird. Es wird diskutiert, digitalisiert, eingespart und es wird konkret etwas unternommen, ob Müll sammeln, ein Feuchtbiotop anlegen oder Klimaschutzregeln veröffentlichen. Jedoch kommt dabei nie der Spaß zu kurz.“
Studie: Jugendliche stellen mäßiges Schulzeugnis aus
Das Berliner Gymnasium und andere ausgezeichnete Verbraucherschulen können als Vorbild für andere Bildungseinrichtungen dienen. Denn laut Studie ist Schule generell zwar kein Ort, den man am liebsten meiden möchte. Als Wohlfühlort gilt sie für die befragten Jugendlichen aber auch nicht. Im Allgemeinen wird deutlich, dass Jugendliche in der Schule vor allem dann aufblühen, wenn sie sich am Unterricht aktiv beteiligen können. In Sachen Mitbestimmung stellen die Jugendlichen ihren Schulen aber ein schlechtes Zeugnis aus. Teilhabemöglichkeiten werden – genau wie in der Politik – kaum gesehen. Die Schule erleben sie als statisches und kaum gestaltbares System. Auch hier kann die Verbraucherbildung ansetzen, denn etlichen dazugehörigen Unterrichts- und Lehrmaßnahmen liegt zugrunde, dass die Jugendlichen aktiv mitgestalten dürfen und müssen. Am Carl-Friedrich-von-Siemens-Gymnasium in Berlin organisierten Schülerinnen und Schüler beispielsweise einen nachhaltigen Weihnachtsmarkt oder koordinierten im Rahmen einer Schülerfirma den Vertrieb von Fair-Trade-T-Shirts. Derlei Projekte und Aktionen sind Positivbeispiele gelebter Teilhabe an der Schule und entsprechen einer Lebenswelt, die der „Jugend von heute“ entgegenkommt.
In der SINUS Jugendstudie heißt es abschließend: „Die Jugendlichen betrachten die Welt und ihre Probleme ernsthaft und realistisch, sind aber gleichzeitig – anders als das überkommene Bild von jugendlichem Aufbruch und Überschwang – sehr besorgt und mitunter sogar ängstlich.“ Gelungene Verbraucherbildung kann dazu beitragen, Ihnen Ängste zu nehmen und ihnen das Rüstzeug mit auf den Weg geben, selbstbestimmte Erwachsene zu werden.
Zur SINUS Jugendstudie
Seit 2008 untersucht die SINUS-Jugendstudie „Wie ticken Jugendliche?“ alle vier Jahre die Lebenswelten 14- bis 17-jähriger Teenager in Deutschland. Dafür werden 72 aus dem gesamten Bundesgebiet stammende Menschen im Alter von 14 bis 17 Jahren interviewt. Die nicht repräsentative Studie untersucht unter anderem Meinungen, Einschätzungen und Wünsche zu Themen wie Politik, Gesundheit, Sport, Berufswahlprozesse sowie Wohlbefinden und Partizipation. Sie wird im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, der BARMER, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, dem Deutschen Fußball-Bund, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, der Deutschen Sportjugend und der DFL Stiftung durchgeführt.