Datum: 06.10.2020

Klassenchat – Online, offline, allein

Gruppenchats können Probleme von Klassen lösen, aber auch neue verursachen

Vier Mädchen sitzen auf einer Bank und blicken auf ihre Smartphones.

Quelle: (c) Pixabay

Klassengemeinschaften kommunizieren längst nicht mehr nur auf dem Pausenhof oder im Schulgebäude. Sie haben die Verständigung längst in den virtuellen Raum verlegt. Was in Klassenchats passiert, ist eigentlich Privatsache und keine schulische Angelegenheit. Doch für Kinder und Jugendliche verschwimmen die Grenzen zwischen offline und online zunehmend. Das nimmt auch Einfluss auf den Schulalltag.

Klassenchats sind in erster Linie Gruppenchats, die Schülerinnen und Schüler einer Klasse über Nachrichtendienste mit ihrem Smartphone erstellen. Besonders über den Messenger-Dienst WhatsApp organisieren sich die Schüler in Gruppen, in denen es um Hausaufgaben, Stundenpläne oder einfach um Klatsch und Tratsch geht. Gerade während der Corona-Pandemie wurde die Online-Kommunikation sogar zur einzigen Möglichkeit, mit der Klassengemeinschaft in Kontakt zu treten. 

 
Flächendeckend verbreitet

Auch vor Corona waren die Chats ein weit verbreitetes Phänomen. „Mittlerweile hat jede Klasse eine solche Gruppe“, sagt Maria Koch, Lehrerin der Städtischen Realschule Steinheim, Nordrhein-Westfalen. Sie entsprechen dem Zeitgeist, denn „heutzutage sind die Kinder und Jugendlichen daran gewöhnt, mit allen über digitale Medien in Kontakt zu sein“, erklärt Nadine Eikenbusch, Referentin der EU-Initiative klicksafe bei der Landesanstalt für Medien NRW. Als Teil des Teams der Sensibilisierungskampagne zur Förderung der Medienkompetenz beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit den Themen Cybermobbing, Hate Speech, Umgang mit dem Smartphone und Medienabhängigkeit. 

Klassenchats, da sind sich Koch und Eikenbusch einig, bieten durchaus Vorteile: Die Schülerinnen und Schüler können schnell Fragen klären und wichtige Informationen teilen. Doch beide wissen auch um die Probleme, die mit dieser Kommunikationsform verbunden sind. Die Gravierendsten schaffen es in die Medien. So berichtete der WDR kürzlich beispielsweise, dass in einem WhatsApp-Klassenchat einer Realschule in Wesel kinderpornografische Inhalte aufgetaucht sind. 

 
Einfluss auf den Alltag

Neben den rechtlichen Konsequenzen, die Inhalte von Klassenchats haben können, beeinflussen sie auch den Alltag. „Alles, was in einer Klassengruppe am Nachmittag oder auch am Abend diskutiert oder geteilt wird, ist vormittags im Unterricht absolut noch Thema“, so die Erfahrung von Lehrerin Maria Koch. Und umgekehrt: Was während des Schultages passiert, präge anschließend den Klassenchat, sagt klicksafe-Referentin Nadine Eikenbusch. „Ein Klassenchat ist eine Art virtuelle Verlängerung des Klassenzimmers, er kann viele Wechselwirkungen haben.“ Eltern sollten in jedem Fall ihre Kinder bei der Nutzung begleiten. Die klicksafe-Referentin Eikenbusch beschreibt, mit welchen Problemen sich typischerweise sonst in Gruppenchats auseinandersetzen müssen:

  • Nachrichtenflut,

  • Ausschluss von einzelnen Personen und

  • Mobbing – oftmals verbunden mit der unerlaubten Weitergabe privater Daten oder Fotos. 

  • FoMo (fear of missing out); also die Angst, etwas zu verpassen

Wer im Schulalltag nicht auf Instant-Messenger-Kommunikation verzichten möchte, findet abseits der Übermacht von Whatsapp alternative Anbieter – die laut der Verbraucherzentrale sorgfältiger mit den Daten ihrer Nutzer verfahren. Darunter befinden sich beispielsweise der kostenpflichtige Dienst Threema aus der Schweiz. Kontakte werden hier lediglich auf dem Gerät des Nutzers, nicht aber auf einem zentralen Server verwaltet. Somit hat Threema selbst keinen Zugriff auf versendete Nachrichten. Favorit unter Datenschützern ist die kostenlose App Signal, weil sie den Quellcode ihrer Server und Clients veröffentlicht. 

 
Digitalregeln durchsetzen

Maria Koch erarbeitete an der Realschule Steinheim im Zuge eines Projekttags gemeinsam mit ihrer Klasse, welche Regeln notwendig sind, damit sich alle im Klassenchat wohl fühlen. Demokratisch wählten sie die fünf aus, die ihnen am wichtigsten waren:

  1. Keiner wird aus einer Gruppe ausgeschlossen (keiner wird „rausgeschmissen“).

  2. Es werden ausschließlich Sachen in die Klassengruppe geschrieben, die etwas mit der Klasse zu tun haben (sich über Hausaufgaben informieren o. ä.).

  3. Jedem wird geantwortet, ganz gleich, ob man die Person mag oder nicht.

  4. Wir grenzen die Zeit der Nutzung ein. Nach Möglichkeit sollte niemand mehr ab 20 Uhr in die Klassengruppe schreiben.

  5. Wir beleidigen uns nicht untereinander und lästern nicht über andere.

„Entscheidend ist, alle Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, damit sie die Regeln als ihre Regeln anerkennen“, sagt klicksafe-Expertin Eikenbusch. Um dies zu unterstützen, empfiehlt sie zudem, die Kinder das Dokument mit den Regeln abschließend wie einen Vertrag unterschreiben zu lassen – und Konsequenzen festzulegen. „Es muss klar sein, was passiert, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält.“ Ein zeitlich begrenzter Ausschluss aus der Gruppe könnte eine Folge sein. Doch nicht jeden Fehltritt sollten die Kinder direkt so hart sanktionieren, mahnt Eikenbusch. „Vielleicht reicht erst mal eine Ermahnung.“ Außerdem dürften die anderen Kommunikationsmöglichkeiten auf keinen Fall vergessen werden: „Die persönliche Ebene ist ganz wichtig, Streit sollte immer hier geklärt werden.“ Das gilt auch an der Realschule Steinheim – und wer dabei dann doch einmal Hilfe braucht, weiß, wohin er sich wenden kann: Beratungslehrkräfte und Schulsozialarbeiterin stehen bereit. 

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