In einer Welt, in der Tablet und Smartphones inzwischen ganz selbstverständlich zum Leben dazugehören, braucht es nicht weniger, sondern mehr Medienbildung. Denn Jugendliche sollten verstehen, was hinter der Technik steckt, anstatt sie nur bedienen zu können, meint die Medientrainerin Katja Bröckl-Bergner. Sie hat sich daher zur Aufgabe gemacht, das nötige Wissen an Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zu vermitteln.
1. Die heutigen Schulkinder und Jugendlichen werden als „Digital Natives“ bezeichnet. Sie wischen, teilen, streamen den ganzen Tag mit ihren Smartphones. Was bedeutet digitale Bildung in diesem Kontext?
Keine Frage, „Digital Natives“ sind in einer digitalen Welt aufgewachsen. Für sie ist die Benutzung digitaler Geräte, wie Smartphones mit den vielen Möglichkeiten, die Apps bieten, ganz selbstverständlich. Die Frage ist, ob das gleichzeitig auch einen kompetenten und kritischen Umgang mit diesen Medien impliziert. Ein Beispiel: Wir alle wachsen in einer sehr mobilen Welt auf, müssen uns als Fußgänger mit dem Autoverkehr auseinandersetzen. Aber heißt das dann für alle, dass wir kompetente Verkehrsteilnehmer sind, keine Verkehrserziehung brauchen? Wohl eher nicht! Durch die Verkehrserziehung an Grundschulen bekommen die Schülerinnen und Schüler eine Vorbereitung auf ihre Rolle als aktiver Radfahrer im Verkehr. Genauso sollte Medienerziehung gelebt werden und ich finde, dass wir bereits im Kindergarten damit anfangen könnten. Natürlich sollten diese Angebote immer auf das entsprechende Alter abgestimmt werden.
2. Sie haben sich dazu entschieden, als Medientrainerin zu arbeiten und in einem Interview gesagt, dass digitale Bildung Sie nicht mehr loslasse. Was war der Auslöser für Sie, sich diesem Thema zu widmen und damit auch an Schulen zu gehen?
In der Schule meiner Tochter gab es einen Vorfall: Ein Mädchen postete auf Facebook etwas wenig Nettes über eine andere Mitschülerin. Dieses Posting blieb nicht unbemerkt. Der Direktor der Schule wurde informiert. Er zitierte daraufhin die Schülerin in sein Büro, dort sollte sie am Rechner ihren Facebook-Account aufrufen und das besagte Posting unter den Augen des Direktors löschen. Als Strafe bekam sie einen schweren Verweis. Als mir meine Tochter diese Geschichte erzählte, fragten wir uns, was die Schülerin nun daraus gelernt hat? Wahrscheinlich: Mach es so, dass es kein Lehrer mitbekommt. Hier hat die Schule bei ihrer Aufgabe, Basiswissen in Sachen Mediennutzung an die Schülerinnen und Schüler zu vermitteln, versagt.
Mir wurde damals klar, dass der Begriff von digitaler Bildung in den Schulen 2016 sehr auf die Nutzung im Unterricht fokussiert war. Ich selbst hatte aber auf der anderen Seite als Social Media Managerin vor allem mit dem zu tun, was bei fehlender Medienkompetenz herauskommt: Shitstorms, Mobbing und so weiter. Dabei sollten Kinder einen reflektierten Medienumgang in der Schule lernen, was Respekt im Netz bedeutet und wie sie sich online verhalten sollten. Mein Ziel war es dann, diese Themen an die Schulen zu bringen. Ein Medienführerschein für SchülerInnen an einer Förderschule war mein erstes großes Projekt. Mit viel Spaß und digitalen Medien – PCs im Computerraum – haben wir uns gemeinsam Themen genähert, wie zum Beispiel: Was ist ein sicheres Passwort? Wie funktioniert das Internet? Was passiert mit meinen Daten (Stichwort Big Data)? Was sind Persönlichkeitsrechte? Wie und wann kommt es zu Cyber Mobbing?
3. Welche Themen nehmen Sie konkret an die Schulen mit? Was wollen Sie Schülerinnen und Schülern vermitteln?
Ich frage mich immer: Was hilft unseren Kindern, das Leben in einer digitalisierten Welt zu meistern? Das bedeutet, sie müssen digitale Medien nicht nur bedienen können, sondern müssen lernen zu verstehen, was dahintersteckt. Deshalb sind mir zunächst die Basics wichtig, zum Beispiel wie das Internet eigentlich funktioniert oder was Big Data bedeutet. Damit werden die Kinder dazu befähigt, Dinge auch kritisch zu hinterfragen.
Ansonsten arbeite ich am liebsten mit Schülerinnen und Schülern an Projekten, die ein konkretes Alltagsproblem lösen. Ich habe beispielsweise das Projekt „Senioren auf digitalen Pfaden“ durchgeführt. Beteiligt waren mehrere Partner – das Katholisches Bildungswerk Erding, eine Beratungsagentur für digitale Produkte, die bundesweite Seniorenvereinigung BAGSO und ich. Die Schülerinnen und Schüler entwickelten mit Hilfe der Design-Thinking-Methode eine digitale Schnitzeljagd für Seniorinnen und Senioren. Die Jugendlichen mussten sich so mit Themen wie Social Media, Urheberrecht, Persönlichkeitsrechte oder mit verschiedenen Programmen auseinandersetzen. Nebenbei erlernten sie wichtige Grundkompetenzen. Mein nächstes Projekt werde ich an einer Grundschule durchführen. Gemeinsam mit dem Bauernhausmuseum in Erding erstellen die Grundschülerinnen und -schüler eine digitale Schnitzeljagd für Kinder. Sie entwickeln die Rätsel, Aufgaben und verschiedenen Medieninhalte.
4. Studien zeigen immer wieder: Deutschland hinkt im Bereich der digitalen Bildung im Vergleich zu anderen Ländern hinterher. Woran hakt es Ihrer Meinung nach? Warum spielen digitale Inhalte an vielen Schulen noch immer eine untergeordnete Rolle?
Ich will zunächst einmal klarstellen: Durch Seminare, Barcamps und den Austausch in meinem Netzwerk weiß ich, dass wir auch in Deutschland viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer haben. Trotzdem liegt hier derzeit noch die größte Herausforderung: Wir müssen es schaffen, wirklich alle Lehrkräfte zu motivieren und zu befähigen. Wir müssen sie ermutigen, Digitalisierung als Chance zu sehen und nicht als Last. Und dazu braucht es nutzerzentrierte, auf alle Bedarfe abgestimmte Fortbildungen! Dafür sollte die Infrastruktur an den Schulen stimmen, und dafür muss es einen dementsprechenden IT-Support geben. Es geht nicht, dass sich ein Lehrer nebenbei um die IT-Administration kümmert. Das ist zu kurz gedacht. Es braucht unbedingt mehr Geld, mehr bedarfsorientierte Fortbildungen und ein besseres örtliches Netzwerk von Schulen, Behörden und auch Unternehmen.
Darüber hinaus müssen wir uns bewusst machen, dass die Inhalte, die momentan in der Schule vermittelt werden, die Schülerinnen und Schüler teilweise nicht auf die Zukunft vorbereiten. In der Zukunft wird es Berufe und Technologien geben, die wir noch gar nicht kennen. Das bedeutet, Jugendliche müssen dazu befähigt werden, mit diesen noch unbekannten Herausforderungen zurechtzukommen. Das geht mit unserer heutigen Schulbildung und unseren heutigen Methoden nicht mehr. Wir müssen die 4 Ks leben: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Um den Einsatz digitaler Geräte kommt dabei keiner mehr herum.
5. Was würden Sie sich konkret von Lehrerinnen und Lehrern wünschen? Und was würden Sie ihnen als Ratschlag mit auf den Weg geben?
Ich würde mir von den Lehrkräften mehr Neugierde, Offenheit und Mut wünschen. Das Schulsystem an sich ist extrem träge und es ist für Lehrkräfte wahrscheinlich nicht leicht, sich nicht davon anstecken zu lassen. Deswegen würde ich ihnen sagen: Probiert aus, macht auch Fehler und lasst euch auch mal von euren Schülerinnen und Schülern helfen. Und: Schule ist kein abgeschlossenes System, schaut deshalb unbedingt auch über den Tellerrand und vernetzt euch! Hier kann ich beispielsweise auch Twitter sehr empfehlen, unter den Hashtags #BayerEdu #Twitterlehrerzimmer oder #Edupnx finden sich wertvolle Anregungen und Informationen. Für mich ist ganz klar: Nur gemeinsam können wir es schaffen!