Ein komplett neues Schulfach „Alltagskompetenz“, wie es die schwarz-orangene Koalition in Bayern eigentlich angekündigt hatte, soll es nun doch nicht geben. Die Alternative: eine verpflichtende Projektwoche, in der die Schülerinnen und Schüler „fürs Leben“ lernen.
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) will unter dem Titel „Schule fürs Leben“ den Themenkomplex „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ ab dem kommenden Schuljahr an allen bayerischen Schulen ausbauen. Sowohl in der Grundschule als auch in allen weiterführenden Schulen soll jeweils einmal im Schuljahr eine fünftägige Projektwoche stattfinden, die die fünf Themenbereiche Ernährung, Gesundheit, Verbraucherverhalten, Umwelt und Haushaltsführung umfasst. Dieses Konzept beschloss das Kabinett vergangene Woche in München. Das erklärte Ziel: eine noch engere Verknüpfung von Schule und Alltagswelt.
Eigentlich hatte die schwarz-orange Landesregierung im Zuge des Artenschutz-Gesetzespakets sogar ein komplett neues Schulfach „Alltagskompetenz“ angekündigt – dies ließ sich in Zeiten des Lehrermangels aber anscheinend doch nicht umsetzen. Kultusminister Piazolo betonte jedoch, dass er das neue Vorgehen für sinnvoll erachte, da der Ansatz unter anderem schneller verwirklicht werden könne und Projekte zudem länger im Gedächtnis blieben. Konkret sollten die Schüler zum Beispiel auf einem Bauernhof die Produktion von Lebensmitteln erleben oder sich über den Umgang mit Geld Gedanken machen. „Man kann auch zusammen einen Einkauf machen, über die Kosten von Handy-Verträgen reden oder über die Organisation eines privaten Haushalts", erklärt Piazolo gegenüber der „Main Post“. Wichtig sei ihm, dass die Kinder und Jugendlichen außerhalb der Schule Erfahrungen sammeln und externe Experten beteiligt würden.
Verbraucherbildung längst im Lehrplan verankert
Der Landesschülerrat und der Philologenverband in Bayern lobten das neue Konzept. Kritik kam hingegen von der SPD. Eine Woche „Crash-Kurs“ reiche nicht dafür, die fehlenden Grundkenntnisse der Schülerinnen und Schüler über Ernährung oder den Umgang mit Geld auszugleichen, stellte die Bildungsexpertin Simone Strohmayr laut „Main Post“ fest. Solche Inhalte müssten vielmehr „dauerhaft und fächerübergreifend behandelt werden“. Verfechter eines eigenen Schulfachs „Alltagskompetenz" merken außerdem an, dass aufgrund der Kompromisslösung nun auch keine neuen Lehrkräfte in diesem Bereich ausgebildet werden.
Und Bildungsexperten weisen auf einen weiteren Aspekt hin: Anknüpfungspunkte für die geplanten Inhalte gibt es bereits über die Verbraucherbildung – schulart- und fächerübergreifend. Dafür sorgen der Landtagsbeschluss „Alltagskompetenz und Lebensökonomie als verpflichtender Unterrichtsgegenstand“ sowie der „Lehrplan Plus“. Konkrete Hinweise und Ideen zur Umsetzung finden Lehrkräfte beispielsweise in dem 2015 herausgegebenen Leitfaden „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“, in dem die fünf Handlungsfelder Gesundheit, Ernährung, Haushaltsführung, selbstbestimmtes Verbraucherverhalten sowie Umweltverhalten ausführlich und anhand von Praxisbeispielen vorgestellt werden. Die Hoffnung ist nun, dass die neue, verpflichtende Projektwoche sinnvoll mit der Verbraucherbildung und den bereits bestehenden Ansätzen verknüpft wird.