Nie gab es mehr Menschen in Deutschland, die in Aktien investiert haben, als 2022 – und nie waren so viele Junge unter ihnen. Das zeigen die aktuellen Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts. Von den 12,9 Millionen Anleger:innen waren 2,1 Millionen zwischen 14 und 29 Jahre alt. Tipps zu Finanzprodukten und Hintergrundinformationen rund um den Kapitalmarkt finden sie mittlerweile auch in den sozialen Medien: Finanz-Influencer, kurz Finfluencer, heißen diejenigen, die entsprechende Formate auf Instagram, TikTok oder YouTube anbieten. Das Problem: „Finfluencer oder Finanz-Coach kann sich jeder nennen“ – unabhängig von der eigentlichen Qualifikation, sagt Sabine Reimer, Leiterin des Referats Verbraucheraufklärung und -kompetenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Junge Menschen sollten daher in der Lage sein, einzuschätzen, wie verlässlich die online erhaltenen Informationen sind.
Die Videoclips tragen Titel wie „Was ist ein ETF?“, „Wie kauft man Aktien?“ oder „5 Fehler beim Handel mit Wertpapieren“. Mit ihren niedrigschwelligen Erklärungen können Finfluencer:innen laut Reimer durchaus zur Finanzbildung beitragen, „wenn sie das als ihren Auftrag verstehen“. Ob es sich jedoch um ein seriöses Angebot handelt oder nicht, sei nicht auf Anhieb zu erkennen. „Viele Follower sind nicht per se ein Qualitätsmerkmal.“
So tummeln sich in sozialen Netzwerken neben tatsächlichen Expert:innen, die fundiert über den Kapitalmarkt und die Finanzwelt informieren, auch solche, die Verbraucher:innen verleiten wollen, unüberlegt zu investieren, um dadurch selbst Gewinne zu erzielen. „Und das kann ganz andere Konsequenzen nach sich ziehen, als wenn jemand aufgrund einer Influencer-Empfehlung ein überteuertes Kosmetikprodukt kauft“, mahnt die BaFin-Verbraucherschutzexpertin: etwa Kapitaleinbußen oder sogar den Totalverlust der Investition. Vorsicht sei daher oberstes Gebot bei Anlageentscheidungen.
Sabine Reimer empfiehlt „das klassische Vorgehen“, um zu kontrollieren, wie gesichert die Informationen von Finfluencer:innen sind:
- Quelle überprüfen: Wer steckt hinter dem Angebot und welche Qualifikation besitzt die Person? Das heißt: Hat die Person überhaupt Fachwissen und wenn ja, worauf begründet sich das dargelegte Fachwissen?
- Faktenlage checken: Verstehe ich den Inhalt und wie verlässlich ist er? Finden sich weitere seriöse Quellen, die die Informationen stützen?
„Wichtig ist, kritisch zu sein“, sagt Reimer. Dazu gehöre auch, die Intention eines Angebots zu hinterfragen: „Womit wirbt die Person und verdient sie damit Geld?“ Existiert eine Website zum Social Media-Account, bietet das Impressum Aufschluss, wer den Account betreibt. Wichtig: Bei Affiliate-Links, also Verlinkungen, die direkt zu einem Produkt führen, erhält der der Accountbetreiber eine Vermittlungsprovision bei Abschluss eines Investments.
Mit Blick auf die Finanzbildung spricht Sabine Reimer vom Jugendalter als „kritischen Zeitpunkt“: „Wie schon bei der Verschuldungsprävention eignet sich die Schule als Ort, Jugendliche zu erreichen, um sie zu befähigen, eigenverantwortlich Entscheidungen in Finanzfragen zu treffen.“
Finfluencer als Unterrichtsthema
Anregungen, wie sich das Thema „Finfluencer“ im Unterricht mit Jugendlichen bearbeiten lässt, bietet das Verbraucherchecker-Modul „Finfluencer – schnelles Geld oder schnelle Pleite?“. Lehrkräfte erhalten einen Einblick in das Material im Zuge der Online-Fortbildung „Finfluencer – Finanzberatung auf Social Media“ (Dienstag, 21.11.2023, 16 bis 17.30 Uhr). Zuvor erklärt Thomas Müller vom BaFin-Referat für Verbraucheraufklärung und -kompetenz, wie sich online seriöse Finanzberatungsangebote erkennen lassen.
Das Projekt „Verbraucherchecker“ des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hat zum Ziel, Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren zu informierten und kritischen Verbraucher:innen auszubilden. Als Peer-Scouts sollen diese jungen Expert:innen wiederum ihr Wissen an andere Jugendliche weitergeben. Die Ausbildung übernehmen qualifizierte Trainer:innen; sie ist kostenfrei und eine Anmeldung jederzeit möglich. Lehrkräfte können mit einer größeren Lerngruppe oder der gesamten Klasse teilnehmen.