Viele kostenlos angebotene Unterrichtsmaterialien kommen im Hochglanzlook daher, dienen aber oft nur als Werbeträger ihrer Auftraggeber. Das belegt eine Ende Januar vom „Materialkompass Verbraucherbildung“ veröffentlichte Analyse. Eine aktuelle Untersuchung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stützt diese Aussage. Besonders auffällig: In beiden Studien fallen vor allem Unternehmen negativ auf.
Von denen beauftragte oder selbst entwickelte Unterrichtmaterialien schneiden laut der Analyse des Materialkompass’ Verbraucherbildung in Sachen „Qualität signifikant schlechter“ ab als Materialien, die aus öffentlicher Hand oder von Verbänden ohne kommerzielles Interesse stammen. Bei jenen wurden nur zwei Prozent der Fälle mit „mangelhaft“ bewertet. Bei jenen aus der Wirtschaft war es fast ein Fünftel. Sie fielen durch Produkt- oder Markenwerbung auf oder stellten Sachinformationen im Eigeninteresse des Unternehmens verkürzt dar.
Der Bildungsgewerkschaft GEW zufolge ist diese Art der Einflussnahme auf junge Menschen längst Alltag. Wirtschafts- und Finanzverbände, Privatunternehmen und Lobbygruppen versuchten „in den letzten Jahren immer stärker“, Lerninhalte in allgemeinbildenden Schulen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die GEW spricht in ihrer Ende Januar 2014 veröffentlichten Studie von einem tobenden „‚Kampf um die Köpfe’ junger Menschen“.
Planlos geht dieser Kampf den Autoren zufolge nicht vonstatten. Hinter vielen Angeboten von Unternehmen stecke „ein regelrechtes Netzwerk von Akteurinnen und Interessenvertretern“. Sie beschränkten sich nicht auf Herausgabe kostenloser Unterrichtsmaterialien, sondern veranstalteten ebenso Fortbildungen für Lehrkräfte, Schulprojekte und -wettbewerbe oder förderten Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft. Längst kommen Unternehmensvertreter der Studie zufolge selbst in den Unterricht „und vermitteln ihre Weltsicht“.
Kontroversen werden dabei laut GEW häufig ausgespart. Unterrichtsmaterialien zur Finanzbildung etwa verfolgten „oftmals offensichtlich“ das Ziel, das im Zuge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise empfindlich gestörte Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen – und zwar, so die GEW, „ohne auch nur annähernd die Ursachen der Krise und die zukünftigen Risiken zu behandeln“.
Statthaft sind solche einseitigen Darstellungen nicht. Bildungsdidaktiker hatten sich bereits 1976 im sogenannten „Beutelsbacher Konsens“ darauf verständigt, das, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers zu behandeln. Um das zu gewährleisten und Werbung aus dem Unterricht zu verbannen, fordert die GEW eine staatlich verantwortete Prüfstelle für kostenfreie Unterrichtsmaterialien. Der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützt diese Forderung.
Die Prüfstelle soll die Materialien nach dem Willen der Gewerkschaften nicht nur auf ihre fachliche und didaktische Qualität prüfen. Sie sollte auch Empfehlungen für Lehrende und Lernende aussprechen. Außerdem dürfe die Politik wirtschaftsnahe Unterrichtsmaterialien nicht mehr fördern. Sie dürfe sich nicht mit deren Anliegen gemein machen und müsse aufhören, diese durch Kooperationsverträge zu unterstützen.
Datum: 11.02.2014
GEW: Prüfstelle für kostenfreie Unterrichtsmaterialien nötig
Lobbyismus im Klassenzimmer