Die Welt wird zunehmend digitaler. Viele Stimmen aus Bildung und Politik wollen deshalb Informatik als (Pflicht-)Fach an Schulen etablieren. Dr. Ilka Hoffman von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält davon nicht viel. Welche Alternativen mehr taugen, erklärt sie im Kurzinterview.
Frau Hoffmann, brauchen wir Informatik als (Pflicht-) Fach an Schulen?
Nein, das sehe ich nicht. Informatik sollte im Schulunterricht sicher eine größere Rolle spielen. Aber nicht in einem eigenen Fach. Informatik ist für mich ein Teil der Mathematik. Deswegen sollten zum Beispiel auch Algorithmen und Programmiersprachen in diesem Fach behandelt werden. Das wäre zeitgemäß. Den Umgang mit digitalen Medien selbst sollten Kinder und Jugendliche meiner Ansicht nach aber fächerübergreifend erlernen.
Wie könnte so ein fächerübergreifender Unterricht aussehen?
Da gibt es viele Anknüpfungspunkte. In den Sozialwissenschaften zum Beispiel den kritischen Umgang mit digitalen Medien, den Datenschutz oder die Frage nach den Persönlichkeitsrechten im Netz. Im Deutschunterricht könnte man diese Medien mehr für Recherchen oder die Informationsverarbeitung nutzen. In Ethik oder Religion das Thema Cybermobbing aufgreifen oder das, was wir gerade in der Diskussion um die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge erleben: Dass digitale Medien auch für Rassismus instrumentalisiert werden können.
Und sind die Schulen fit dafür?
Da sehe ich Nachholbedarf, auch auf Seiten der Lehrkräfte. Was Jugendliche mit digitalen Medien anstellen, vor allen in den sozialen Netzwerken, wissen sie oft nicht, weil sie diese Medien selbst nicht nutzen. Wenn sie sich mit Facebook und Co. aber nicht auskennen, lassen sie die Jugendlichen ein Stück weit alleine beim angemessen Umgang damit. Es wäre aber wichtig, diese Medien auch in den Unterricht reinzubringen, kreativ und kritisch. Dafür müssen Lehrerinnen und Lehrer jedoch souverän mit ihnen umgehen können. In der Lehrkräfteaus- und -fortbildung spielen diese Kompetenzen aber leider noch eine zu kleine Rolle.
Was würden sie ändern?
Wir müssen die Medienpädagogik stärker in der Lehrkräftebildung verankern, auch Grundkenntnisse der Informatik. Einfach, damit die Lehrkräfte selbst lernen, wie Datenverarbeitung oder soziale Netzwerke funktionieren. Sie müssen Facebook und Co. nicht zwangsläufig selbst nutzen. Aber sie müssen über Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken dieser Medien kompetent mit ihren Schülerinnen und Schülern sprechen können.
Eine Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften reicht?
Die Pläne für die Aus- und Fortbildungen müssen sicherlich an die Erfordernisse der digitalen Welt angepasst werden. Aber wir brauchen auch eine bessere technische Ausrüstung – in den Lehrkräfteseminaren und in den Schulen. Wir haben oft noch einen sehr traditionellen Schulunterricht, der digitale Medien nur am Rande als Werkzeug nutzt. Das muss sich ändern.
Datum: 06.10.2015
„Medienbildung braucht mehr als Informatikunterricht“
Fünf Fragen an… Ilka Hoffmann, Schulexpertin der GEW