Deutschland hat sich mit der Energiewende ein Ziel gesetzt, das erst in einigen Jahrzehnten erreicht sein wird. Weil die Kinder von heute die Gestalter von morgen sind, sollte das Thema fest im Bildungsangebot der Schule verankert werden. Dies ist über alle Partei- und Ländergrenzen hinweg Konsens. An einigen Schulen wird dieses Ansinnen schon umgesetzt.
Nachhaltige Entwicklung - ein globales Projekt
Nachhaltigkeit basiert auf dem Prinzip nicht mehr zu verbrauchen als für eine Regeneration benötigt wird. Das bedeutet, dass auch zukünftige Generationen die gleichen Chancen haben wie wir und umfasst einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft.
Bereits 1987 forderte die so genannte Brundlandt-Kommission der Vereinten Nationen eine Neuausrichtung im politischen und wirtschaftlichen Denken vor allem der Industrienationen und führte den Begriff der Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Entwicklung als politisches Leitbild ein. Um jedoch einen tatsächlichen Bewusstseinswandel herbeizuführen, so die Erkenntnis der Vereinten Nationen, musste dieses Leitbild in allen Bereichen der Bildung verankert werden. So setzte in der Bildung 1992 ein Wandlungsprozess ein: Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro entwickelte die Staatengemeinschaft konkrete Handlungsempfehlungen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung hat die Befähigung des Einzelnen zum Ziel, nachhaltig zu denken und zu handeln. Dazu gehört, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen und für eine sozial und umweltfreundlich ausgerichtete Energieversorgung einzutreten. 2005 riefen die Vereinten Nationen dann die Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aus. In Kindergärten und Schulen in Deutschland starteten daraufhin zahlreiche Projekte, die sich um Energiesparen und erneuerbare Energien drehten. „Im nächsten Schritt muss es gelingen, Bildung für nachhaltige Entwicklung eine Selbstverständlichkeit werden zu lassen, die dem Lehrplan zugrunde liegt“, sagt Christian Vey von der Deutschen UNESCO-Kommission. Es gehe darum, das Projekt zur Struktur zu wandeln. Diesen Schritt hat die Stadtteilschule Blankenese bereits vollzogen.
Unterricht nach Klimaschutzplan
Regenerative Energien nehmen seit Mitte der 1990er Jahre einen zentralen Platz im Curriculum der Stadtteilschule Blankenese ein. Auf Initiative der Physiklehrer verabschiedete die Hamburger Schule schließlich 2009 einen Klimaschutzplan. Dieser sieht Kohlendioxideinsparungen von rund zwei Prozent pro Jahr im Schulbetrieb vor, aber er beschreibt auch ein didaktisches Anliegen: Die Heranwachsenden über Klimawandel und Klimaschutz zu bilden. Diese haben erste Berührungspunkte in der 5. und 6. Klasse im Fach „Natur und Technik“ mit erneuerbaren Energien. Ab Klasse 9 können sie - wie dies die Hamburger Bildungspolitik vorschreibt - zwischen sieben fachübergreifenden Profilen wählen. Eines davon ist „Natur und Technik“. Im theoretischen Unterricht lernen sie beispielsweise die Funktionsweise von Solarzellen und Windkraftanlagen, aber auch von fossilen Kraftwerken kennen. Am sogenannten Profiltag ist Zeit für Experimente, Exkursionen und Projekte. So haben die Jugendlichen Windparks besichtigt und ein Modellkraftwerk selbst gebaut. Für einen Wettbewerb fertigten sie ein Boot, das mit einer Brennstoffzelle angetrieben wurde, erzählen Nick und Tim. Physik und Technik finden die beiden Zehntklässler spannend; das Profil mache Spaß, da sie viele Dinge selbst anpackten. In der Berufsbildung seien erneuerbare Energien zudem ein wichtiges Thema, fügt Tim hinzu. Auch das war für ihn ein Grund, in die Richtung zu gehen. „Es sind alles Schrauber und Dreher in dem Kurs“, sagt Lehrer Klaus Heins. Wer zu Hause gern bastelt und tüftelt, sei hier richtig.
Schüler installieren autarke Solaranlagen
Ihre handwerklichen Fertigkeiten können Schüler der 10. Klassenstufe im Februar geballt unter Beweis stellen: Dann fährt der Profilkurs nach Tansania, um netzferne Photovoltaikanlagen in einem Dorf zu installieren. Die 12-Volt-Systeme sollen im Haus Lampen und Ladestationen für Mobiltelefone mit Strom speisen. „Das habe ich schon einmal gemacht“, erklärt Heins lässig, „die Schüler lernen zum Beispiel, worauf sie beim Verlegen von Kabeln achten müssen.“ Andererseits setzen sie sich mit einer anderen Nation auseinander und lernen, diese zu unterstützen - auch das gehört zu Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kontakt zu dem afrikanischen Dorf besteht über den Verein Deutsch-Tansanische Partnerschaft, der mit Spendengeldern die Solarsysteme bezahlt. Lediglich um einen Batteriespeicher müssen sich die Einwohner selbst kümmern. Dafür sparen sie künftig Zeit und Geld, um Kerosin für Lampen zu kaufen und ihre Telefone in entfernten Orten zu laden.
"Für die Zukunft ist das ein großes Plus"
Wer das Abitur an der Stadtteilschule Blankenese anstrebt, kann in der Oberstufe einen anderen Profilkurs belegen, der an jenen von Klaus Heins anknüpft. „Zukunftsfähige Energiesysteme - Mit der Sonne um die Erde“ heißt dieser und erstreckt sich auf das 12. und 13. Schuljahr. Das Oberstufenprofil kombiniert die Fächer Physik, Technik und PGW (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft) miteinander unter dem zentralen Thema erneuerbare Energien. In Technik geht es um Maschinen und Stromkreise, in Physik um Erzeugungstechnologien und die Energiespeicherung, in PGW um die Energiewende und welche Probleme es bei der Umsetzung gibt. Neben der Wissensvermittlung in der Theorie nimmt die praktische Anwendung wiederum breiten Raum ein. Gefragt, was ihnen der Unterricht gebracht hat, antworten Schülerinnen und Schüler der 13. Klasse: „Wir wissen, wie man Kabel repariert, wie man Stromkreise aufbaut, wie man mit technischen Sachen umgeht - einfach, wie man sich selbst hilft. Für die Zukunft ist das ein großes Plus.“
Solarbetriebene Wasserpumpen für Bauern in Nicaragua
Auch der Profilkurs der Oberstufe engagiert sich in einem Projekt im Ausland: „Agua es vida“ - Wasser ist Leben - heißt es. Seit zwölf Jahren installieren Heranwachsende solarbetriebene Wasserpumpen bei Landwirten in Nicaragua, die gewöhnlich Stunden an ihrem Brunnen zubringen, um Wasser für die Felder zu schöpfen. Die deutsche UNESCO-Kommission zeichnete es 2009 als „Offizielles Projekt der UN-Dekade“ aus. Zuletzt reiste der Profilkurs der 13. Klasse mitsamt den Lehrern für Physik und Technik für drei Wochen in das mittelamerikanische Land. Der Kontakt zu den Bauern kommt über Partner vor Ort. Die Planung und Vormontage der Pumpensysteme erfolgte im Unterricht. Zudem programmierten die Jugendlichen eine Steuerung, die in Nicaragua die Betriebsdaten von zwei Pumpen aufzeichnet und aus der Ferne abgerufen werden kann. In einem Folgeprojekt wollen die Lehrer die Daten der zwei Pumpen unterschiedlicher Hersteller miteinander vergleichen lassen. Die Nicaragua-Reise ist das i-Tüpfelchen des Profilkurses und für einige der 14 Schülerinnen und Schüler ein wichtiges Argument, diesen zu belegen. Die Reise und das gemeinsame Projekt habe ungemein weitergebildet und den Kurs gestärkt, erzählen sie.
Persönliches Interesse und Eigeninitiative der Lehrer
Für ihre Lehrer Clemens Krühler und Robert Heiden sind diese Worte der Lohn für die vielen Freizeitstunden, die sie in den Profilkurs stecken. Dass es diesen wie auch die gesamte Ausrichtung auf erneuerbare Energien gibt, liegt maßgeblich an ihnen und Klaus Heins. „Aufgrund unseres persönlichen Interesses haben wir uns dem Thema zugewendet“, sagt Heins. „Vor 15 Jahren war absehbar, dass Atomenergie ein Auslaufmodell ist und dass das Öl nicht reichen wird. Die Energiewende wird die Schüler begleiten - ihr Leben lang“, erklärt Krühler. Wissen darüber zu vermitteln und die praktische Anwendung erneuerbarer Energien in Nicaragua und Tansania zu zeigen - das ist allen drei Lehrern eine Herzensangelegenheit.
© Ines Rutschmann