Allenfalls Mittelmaß – so schätzt eine internationale Vergleichsstudie die Computer- und Internetkenntnisse deutscher Schülerinnen und Schüler ein. Wie ihre Lehrerinnen und Lehrer das ändern können und was diese dafür brauchen, weiß der Bildungsforscher Richard Heinen von der Universität Duisburg-Essen. Fünf Fragen an ihn.
1. Herr Heinen, Sie sagen, die digitale Bildung verlange Veränderungen in der Lehrkräftefortbildung. Was fehlt derzeit?
Lehrkräfte nehmen insgesamt zu selten Fortbildungen wahr, gerade in Sachen digitale Medien – was wahrscheinlich auch mit dem Angebot zu tun hat. Gleichzeitig wissen wir aus unserer Zusammenarbeit mit Schulen, dass es dort bei Einzelnen viel Know-how gibt. Nur wird das nicht systematisch verbreitet. Eine Kultur des Austauschs, der gegenseitigen Fortbildung, könnte das ändern.
2. Welche Folgen haben diese Lücken – für Lehrkräfte und Schüler?
Ob Kinder und Jugendliche in der Schule einen guten Umgang mit digitalen Medien lernen, hängt oft davon ab, ob sie eine engagierte Lehrkraft erwischen. Fehlt die, müssen Eltern diese Lücke füllen. Dadurch wird der soziale Hintergrund entscheidend für die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Sozial gerecht ist das nicht.
3. Wie kann die von ihnen geforderte „Professionalisierung“ aussehen?
Professionalisierung meint vor allem, dass Schulen eine Vision vom Lernen mit digitalen Medien entwickeln sollten – und eine Strategie, wie sie umgesetzt werden kann. Ich ermuntere sie, eigene Wege zu erproben. Und diese nach erfolgreicher Erprobung verbindlich umzusetzen. Fertige Konzepte können hier zwar helfen. Letztlich muss aber jede Schule den Weg finden, der zu ihr passt.
4. Sie werben für Austausch in regionalen Bildungsnetzwerken. Warum?
Weil er hilft. Beim Austausch über technisch-organisatorische Fragen, durch Austausch kundiger Lehrkräfte. Diese profitieren doppelt: fachlich. Und dadurch, dass sie erleben, dass eine Kultur des Austausches sie und ihre Schule weiterbringt, neue Impulse anstößt. In der Region lassen sich Arbeitstreffen und gegenseitige Unterrichtsbesuche auch leicht und ohne hohe Kosten umsetzen. Ein Problem ist allerdings der Wettbewerb mancher Schulen untereinander. Der erschwert die Zusammenarbeit und muss überwunden werden. Digitale Bildung darf auf die Dauer kein Alleinstellungsmerkmal einzelner Schulen sein.
5. Was wäre noch nötig, um die digitale Bildung in Schulen aufzuwerten?
In Lehrplänen werden digitale Medien häufig schon berücksichtigt, zentrale Prüfungen kommen immer noch ohne sie aus. Und was nicht prüfungsrelevant ist, findet später auch seltener im Unterricht statt. Dabei geht es aber nicht darum „Medien“ zu prüfen, sondern fachbezogene Prüfungen so zu gestalten, dass sie mit Medien gelöst werden müssen. Außerdem sollten Schulträger in IT-Betreuer direkt in den Schulen investieren. Heute wird der technische Support oft noch von engagierten Lehrkräften geleistet. Professionell ist das in meinen Augen nicht.
Datum: 22.06.2015
„Schulen brauchen eine Vision vom Lernen mit digitalen Medien“
Fünf Fragen an… den Bildungsforscher Richard Heinen