Plastik schädigt die Umwelt. Das Bewusstsein in der Gesellschaft dafür wächst und viele Schulen haben es als ihre Aufgabe angenommen, diese Entwicklung zu fördern. Mit Projekten und Aktionen versuchen sie, Schülerinnen und Schüler für die mit dem Plastikmüll verbundenen Folgen zu sensibilisieren.
Die Zahl ist kaum zu fassen: 8,3 Milliarden Tonnen Plastik sind zwischen 1950 und 2015 produziert worden. „Das entspricht mehr als einer Tonne Plastik pro Mensch, der heute auf der Erde lebt“, heißt es im Plastikatlas 2019 der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Nach aktuellen Schätzungen seien laut der Veröffentlichung etwa 40 Prozent der Plastikprodukte in weniger als einem Monat Abfall. Das bekannteste damit verbundene Problem, weil medial stark vertreten, ist der sich in den Weltmeeren sammelnde Plastikmüll, so Meeresbiologe Lars Gutow. Am Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, erforscht er, wie Kunststoffabfälle auf die Meeresorganismen und Meereslebensräume wirken.
Für Grundschulen geeignet
Dem Plastikatlas zufolge landen zehn Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr im Meer – mit fatalen Auswirkungen auf den Lebensraum. „Es gibt online zahlreiche Beispiele für Berichte über verendete Meerestiere, weil sie sich etwa im Plastikmüll verfangen oder ihn verschluckt haben“, sagt Gutow. Das habe dazu geführt, dass die Folgen auch in der breiten Gesellschaft bekannt seien. Lehrerin Maraike Kölpin von der Grundschule Elsfleth in Niedersachsen nahm die mediale Präsenz zum Anlass, die Problematik auch mit den Schülerinnen und Schülern des vierten Jahrgangs im Sachunterricht zu bearbeiten. „Die Kinder bekommen das ja auch schon mit, wenn nicht durch die Medien, dann über Eltern oder Freunde.“
Anfang dieses Jahres entwickelte sie eine umfassende Unterrichtsreihe zum Schwerpunkt „Plastikmüll im Meer“, für die sie sich fachlich von Lars Gutow beraten ließ. Als Ausgangspunkt wählte sie die Grundlagen der Mülltrennung. „Die habe ich mit den Kindern kritisch betrachtet, um bei ihnen ein Bewusstsein zu schaffen, dass es besser ist, von vornherein Müll zu vermeiden.“
Mithilfe einer Flaschenpost leitete Maraike Kölpin das eigentliche Thema ein. Darin ein fiktiver Brief, ein Hilferuf der Meeresbewohner an die Kinder, weil der Plastikmüll ihren Lebensraum zerstört. „Grundschulkinder springen auf ein Thema an, wenn der Inhalt in einer Geschichte verpackt ist“, so Kölpin. Anschließend erarbeitete sie mit ihnen, was für Plastikmüll im Meer treibt, dass er sich in fünf großen Müllstrudeln sammelt, wie der Müll in die Ozeane gelangt, wie er das Leben dort beeinträchtigt und welche Möglichkeiten es gibt, die Meere von Plastik zu befreien.
Wichtig: direktes Erleben
In insgesamt zehn Unterrichtsstunden versuchte Maraike Kölpin, das Problem für die Kinder greifbar zu machen. Dabei setzte sie auf eine Vielzahl an Materialien – unter anderem bildliche Darstellungen, kurze Texte, Filmsequenzen, selbsterstellte Spiele und Methoden wie Stationenlernen, Experimentieren, vorbereiteter Expertenbesuch. „In der Regel fahren wir noch hier bei uns zur Mülldeponie, damit die Kinder Müll direkt sehen und riechen können, aber das hat zeitlich nicht gepasst.“ Es sei wichtig, erklärt Kölpin, dass Kinder mit allen Sinnen lernen.
Diese Einschätzung teilt auch Meeresbiologe Gutow: „Ich glaube, Kinder müssen Inhalte erfahren.“ Für ihn bedeutet das beispielsweise, dass sie sich an Aufräumaktionen beteiligen, um das Ausmaß der Umweltverschmutzung schon in der eigenen Umgebung wahrzunehmen. „Wir sehen den Müll natürlich jeden Tag, aber wir sind abgestumpft, wir blenden das aus. Wenn wir uns bücken müssen, um ihn aufzuheben, dann merken wir, wie irre viel das ist, dann wird die Sensibilität dafür geschärft.“ Ältere Schülerinnen und Schüler sollten, so Gutow, „auch ganz direkt mit den Auswirkungen konfrontiert werden. Wer einmal einen Vogel seziert hat, dessen Magen voller Plastik war, der vergisst das nicht.“
Unterschiedliche Lernansätze
Kinder und Jugendliche anzuleiten, Verantwortung zu übernehmen – auch für Natur und Umwelt –, haben viele Schulen als ihre Aufgabe erkannt. Neben der Unterrichtseinheit von Maraike Kölpin arbeitet die Grundschule Elsfleth beispielsweise mit der Ortsgruppe des Naturschutzbunds Deutschland zusammen, um gemeinsam Umweltprojekte umzusetzen. Darüber hinaus organisiert die Schule Exkursionen in die Natur, wobei die Umweltverschmutzung ebenfalls Thema ist.
An der Evangelischen Schule Berlin Zentrum haben einige Schülerinnen und Schüler im Zuge des Projekts Verantwortung und in Kooperation mit der Jugendorganisation des BUND die Kampagne „Coffee to go – NO!“ umgesetzt. An der eigenen Schule, den umliegende Bäckereien und Spätverkaufsstellen warben sie für eine Selbstverpflichtung, auf Einmalbecher zu verzichten. Darüber hinaus überzeugten sie den Elternverein, Geld für einen Wasserspender zur Verfügung zu stellen, damit die Schulgemeinschaft auf Plastikflaschen verzichten kann.
Im Zusammenhang mit dem Projekt „Müll – was geht mich das an?“ beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler der Wagrienschule Grund- und Gemeinschaftsschule mit Förderzentrum in Schleswig-Holstein mit den durch Müll verursachten Folgen und erarbeiten, wie sie Abfall vermeiden können. Im Projekt „Verkaufsstrategien im Supermarkt“ setzen sich die Kinder der achten Klassen zudem mit ihren Einkaufsgewohnheiten kritisch auseinander und reflektieren ihr Konsumverhalten.
Appell an die Politik
Aus Sicht von Lars Gutow ist es richtig und wichtig, dass Schulen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass „unsere Lebensweise in einer westlich geprägten Kultur massiv für die ökologischen Missstände mitverantwortlich ist“. Denn: „In der Schule lernen junge Menschen, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Und wenn wir wollen, dass sie anders funktioniert, dann muss dieser Wandel in der Schule beginnen.“ Dabei sollte jedoch deutlich werden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nur einen begrenzten Einfluss haben. „Natürlich haben wir gewisse Möglichkeiten, unseren Konsum einzuschränken, das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Gutow. Die Hauptverantwortung liege bei den Produzenten, da es sich beim Großteil des Plastikmülls, der in der Umwelt landet, um industrielle Kunststoffe handele. Er appelliert daher auch an die Politik, steuernd einzugreifen. Letztlich – da sind sich Meeresbiologe Lars Gutow und die Autorinnen und Autoren des Plastikatlas einig – wäre die effektivste Methode, die Umweltverschmutzung durch Plastik zu verringern, an der Quelle anzusetzen, heißt: weniger neuen Kunststoff zu produzieren. (ach)