Den Titel „Verbraucherschule“ tragen immer mehr Schulen Deutschland. Doch was macht gute Verbraucherbildung aus? Wo fängt man als Schule an und welche Themen wählt man aus? Wir haben uns einige der ausgezeichneten Schulen angeschaut und Tipps für die Praxis zusammengestellt.
Lebensnah, praxisorientiert, zukunftsrelevant – geht es um Verbraucherbildung in der Schule, sind dies die Stichworte, die verwendet werden, um zu beschreiben, worum es bei den Inhalten vor allem geht. Auch an diesem Montag, wenn 57 Schulen aus 13 Bundesländern offiziell mit dem Titel Verbraucherschule ausgezeichnet werden, sind es diese Eigenschaften, die von vielen Beteiligten als Grund für ihr Engagement im Bereich Verbraucherbildung genannt werden. Denn obwohl sich die Gymnasien, die Grund- und Hauptschulen, die Förder- und Realschulen in Bezug auf ihre Projekte und Inhalte unterscheiden, verbindet sie alle ein gemeinsames Ziel: Sie wollen die Schülerinnen und Schüler auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereiten.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit
Besonders aktuell sind für viele Schulen die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz – und das nicht erst seit den Fridays-for-Future-Demonstrationen. „In einer Zeit, in der wir alle etwas gegen den Klimawandel tun müssen, ist es wichtiger denn je, auf den eigenen ökologischen Fußabdruck zu achten“, sagt Lehrer Marin Vollrath, der am Sibylla-Merian-Gymnasium in Meinersen (Niedersachsen) der Koordinator für den Bereich Verbraucherbildung ist. Denn Nachhaltigkeit beginne schon bei ganz alltäglichen Entscheidungen. „Alles was die Schülerinnen und Schüler kaufen – von der Jeans, über Lebensmittel bis hin zum Smartphone – hat Auswirkungen auf unser Klima“, so Vollrath. „Diesen Zusammenhang müssen wir den Jugendlichen in der Schule vermitteln, damit sie gut informierte Entscheidungen treffen können.“
Viele Schulen haben inzwischen ganze Unterrichtsreihen und vielfältige Projekte zum Thema Plastikvermeidung, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie zu Recycling beziehungsweise Upcycling. Die Lehrkräfte klären ihre Schülerinnen und Schüler über Mikroplastik im Meer auf, überlegen mit ihnen gemeinsam, wie Müll reduziert werden kann, hinterfragen den eigenen Konsum oder erarbeiten mit ihnen Tipps zum Wassersparen.
Das Sibylla-Merian-Gymnasium, das in diesem Jahr die Auszeichnung Verbraucherschule in der Kategorie Silber bekommt, hat außerdem das Projekt „Sibylla goes green“ ins Leben gerufen. „Inzwischen sind 80 Schülerinnen und Schüler in der Projektgruppe dabei“, erzählt Martin Vollrath im Interview, sichtlich stolz auf das freiwillige Engagement der Jugendlichen. „Unser Ziel ist es, auf das Plastikmüllproblem aufmerksam zu machen und Lösungsansätze zu präsentieren.“ Entstanden ist zum Beispiel eine Ausstellung zum Thema Plastikmüll, die nun sogar von einem Museum übernommen wird.
Ernährung und Gesundheit
Eng mit dem Umweltschutz ist das Thema Gesundheit verbunden. Viele der als Verbraucherschule prämierten Schulen organisieren regelmäßig „Klima-Frühstücke“, hinterfragen den Sinn von Bio- und Tierwohl-Labeln oder bauen selbst Gemüse und Obst an. Doch natürlich gibt es noch viele weitere Punkte, die Lehrkräfte in diesem Bereich aufgreifen können. „Ausgewogene Ernährung, Hygiene, Zahngesundheit, Suchprävention, Sport und Bewegung – bei uns an der Schule ist Gesundheitserziehung das Thema“, sagt Ulrike Suchantke. Sie ist Lehrerin an der Schule am Bienwaldring in Berlin, einem Förderzentrum für geistige Entwicklung, und sie versteht unter Verbraucherbildung all das, was mit der Lebenspraxis ihrer Schülerinnen und Schüler zu tun hat. „Vieles muss immer wieder eingeübt und erklärt werden: der Umgang mit Geld, das Einkaufen, die Grundlagen einer gesunden Ernährung. Das zieht sich wie ein roter Faden durch.“
So lässt sich auch hier feststellen: Das Niveau mag zwar an den Schulen unterschiedlich sein – die Ziele sind es nicht. Die Frage nach einer ausgewogenen Ernährung, Bewegung und Hygiene spielt an allen Verbraucherschulen eine wichtige Rolle. Die Ursulinenschule Fritzlar (Hessen) hat in einem eigenen Modul „Gesundheit und Soziales“ die Entstehung von Bakterienkulturen untersucht und das eigene Hygieneverhalten reflektiert. Die Johannes-Kepler-Schule in Neuhof (ebenfalls Hessen) hat sich unter dem Motto „Keplers Küchenparty“ dem Thema Geschmack und Ernährungsgewohnheiten gewidmet, um im Anschluss selbst kreative Pausensnacks zuzubereiten. Und die Projekte „Schmexperten“ sowie „Zu gut für die Tonne“ haben gleich an mehreren der ausgezeichneten Verbraucherschulen stattgefunden.
Finanzen und Verbraucherrecht
Zur Selbstständigkeit gehört selbstverständlich auch der verantwortungsvolle Umgang mit Geld und damit zusammenhängend das Wissen, wie Finanzprodukte, Werbung und Versicherungen funktionieren. Um Jugendlichen ökonomisches Grundwissen zu vermitteln, setzen viele Schulen auf die Einführung von Schülerfirmen wie zum Beispiel die „Fahrradwerkstatt“ und das „Aquateam“ an der GHS Niederpleis oder „Schmids Druckstudio“ an der Carlo-Schmid-Oberschule in Berlin.
Ein besonders kreatives Projekt zum Thema Finanzen hat die Fridtjof-Nansen-Schule durchgeführt: „Ade Hotel Mama“. Diese Vorhabenwoche ist inzwischen fest im schuleigenen Curriculum verankert und zielt darauf, den Teenagern das eigenständige Planen beizubringen. Die Siebtklässler stellen dafür einen mehrtägigen Ausflug auf die Beine und müssen alles selbst organisieren: die Unterkunft, die Einkäufe und die Budgetplanung für weitere Aktivitäten. „Schule wird oft vorgeworfen, dass sie zwar den Schülern beibringt, wie man eine Gleichung löst oder ein Gedicht interpretiert, aber nicht auf das Leben nach der Schule vorbereitet“, so Schulleiter Fabian Halbe. Wenn es nach ihm geht, wird dieser Vorwurf an der Fritjof-Nansen-Schule nicht aufkommen.
Medien und Information
Insgesamt lassen sich die Themen der Verbraucherbildung in vielen Fällen recht mühelos verknüpfen: Schülerfirmen können nachhaltig sein und gesundes Essen anbieten, beim gemeinsamen Frühstück kann auf Ausgewogenheit sowie die Vermeidung von Plastikmüll geachtet werden und vor allem können all die verschiedenen Projekte medial begleitet werden. „Den produktiven Umgang mit Medien, also die Frage, wie ich selbst gestalterisch tätig werden kann, finde ich sehr wichtig und wertvoll“, sagt Ulrike Suchantke von der Schule am Bienwaldring. So gibt es beispielsweise die Schülerzeitung „Bienenpost“, die regelmäßig über aktuelle Projekte berichtet. Außerdem hat Ulrike Suchantke zusammen mit ihrer Klasse einen Trickfilm zum Thema Wasserverbrauch erstellt. „Bei der Erstellung haben die Schüler dann gemerkt, dass das nicht die Realität ist und ein Film auch bewusst verändert werden kann“, berichtet die Lehrerin.
Die Erfahrung, dass Themen automatisch aufkommen, wenn Inhalte medial begleitet und aufbereitet werden, hat auch Martin Vollrath gemacht. Fragen nach dem Datenschutz oder Persönlichkeitsrechten würden dadurch regelmäßig besprochen. Darüber hinaus werden Medienkompetenzen am Sibylla-Merian-Gymnasium aber auch explizit vermittelt. Zum einen legen alle Schülerinnen und Schüler den Computerführerschein ab, zum anderen lernen sie nach und nach digitale Recherchetools kennen, werden über Gefahren im Netz aufgeklärt und beschäftigen sich mit Verhaltensregeln in sozialen Netzwerken. Zudem werden – wie an vielen anderen Schulen auch – einige Jugendliche zu Medienscouts ausgebildet. Und es gibt noch weitere Beispiele aus andere Bundesländern: An der Dannewerkschule in Schleswig-Holstein gab es im vergangenen Jahr ein Projekt zum Thema „Körperbilder und Schönheitsideale“, die Paula-Modersohn-Schule in Bremen hat einen Workshop „Cybermobbing“ sowie eine „QR-Code-Rallye“ zum Thema Fake-News durchgeführt und wieder andere Verbraucherschulen haben eine Film-AG eingerichtet oder eine Unterrichtsreihe „Programmieren“ gestartet.
Von Anderen Lernen
Seit einigen Jahren gibt es auch ein „Netzwerk Verbraucherschule“, in dem sich Schulen austauschen und sich neue oder erste Anregungen holen können. Am 11. März findet erstmalig eine Online-Fortbildung für die Schulen im Netzwerk statt zum Thema „Haften und Versichern“. Der Fundus an Maßnahmen, Projekten und Unterrichtsvorhaben wächst stetig an. „Als Verbraucherschule sollte man vielseitig aufgestellt sein“, meint auch Martin Vollrath. Dabei könne nicht jedes Projekt so umfangreich sein wie „Sibylla goes green“, was sich die Schule komplett eigenständig ausgedacht hat und das zudem auf das Engagement der Schülerinnen und Schüler angewiesen ist. Aber: „Man muss als Schule ja nicht immer das Rad neu erfinden. Es gibt so viele gute Ansätze, die man nutzen und auf die man aufbauen kann“, so Vollrath.