Schulpolitische Umsetzung der Verbraucherbildung
Verbraucherbildung als schulische Aufgabe umzusetzen ist nicht nur ein theoretisches Ziel. Mit der Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 12. September 2013 haben sich alle Bundesländer verpflichtet, es ganz praktisch anzugehen. In den vergangenen Jahren sind daraufhin zum Teil länderspezifische Richtlinien, Rahmenvorgaben und oder Curricula entstanden, die das Thema Verbraucherbildung in unterschiedlicher Form im Schulalltag verankern.
Dabei wird Verbraucherbildung vorrangig als Querschnittsaufgabe in andere Fächer und den Unterricht integriert, vereinzelt ist sie als eigenes (Wahl-)Fach und in verschiedenen Schulstufen – meist in der Sekundarstufe I – aufzufinden. Darüber hinaus kann Verbraucherbildung außerschulische Aktivitäten einschließen, beispielsweise in Form von Projekten, Wettbewerben, Ausstellungen oder den Besuch außerschulischer Lernorte. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern folgt den Grundsätzen der Neutralität. Denkbar sind beispielsweise öffentliche Einrichtungen, Verbände oder Unternehmen.
Schaut man sich die Verordnungen der einzelnen Bundesländer genauer an, fällt die Vielzahl der verschiedenen Varianten in Bezug auf Verbraucherbildung auf. Ein eigenständiges Fach „Verbraucherbildung“ gibt es derzeit nur in Schleswig-Holstein, und zwar an Gemeinschaftsschulen der Sekundarstufe I. Bayern hat zudem 2015 das Wahlfach „Verbraucherprofi“ in der Realschule eingeführt, in dem vor allem Kompetenzen im Sinne der „ökonomischen Verbraucherbildung“ vermittelt werden sollen.
In den übrigen Bundesländern soll Verbraucherbildung laut den jeweiligen Lehrplänen fächerübergreifend gelehrt und als Querschnittsthema in unterschiedlichen Fächern integriert werden. In der Primarstufe dient dafür häufig der Sachunterricht als Ankerfach. Vielfältiger sieht das Bild hingegen in der Sekundarstufe I aus, wo die Schülerinnen und Schüler am häufigsten mit Verbraucherbildung in Kontakt kommen: Am Gymnasium dient vor allem das Fach Politik/Wirtschaft zur Vermittlung von Verbraucherbildung, während an anderen Schulformen beispielsweise die Fächer Arbeitslehre oder Arbeit/Wirtschaft/Technik dafür vorgesehen sind.
In insgesamt acht Bundesländern finden sich Vorgaben zur Verankerung von Verbraucherbildung im Unterricht in übergreifenden Rahmendokumenten, sprich: Curricula, Leitperspektiven, Rahmenvorgaben oder Richtlinien. Ein Blick in diese Dokumente macht die länderspezifischen Unterschiede noch einmal besonders deutlich. Zum einen ist die Zuordnung von Verbraucherbildung zu Fächern, Klassenstufen und Schulformen unterschiedlich konkret benannt. Zum anderen legen die Länder mit Blick auf die vier Themen der Verbraucherbildung variierende Schwerpunkte. Während in Bayern der Fokus auf ökonomischer Verbraucherbildung liegt, spricht das sächsische Curriculum beispielsweise explizit von „Ernährungs- und Verbraucherbildung“.
Über diese curriculare Verankerung hinaus, existieren in vielen Bundesländern sogenannte Unterstützungsmaßnahmen, um Verbraucherbildung im Unterricht zu etablieren. In Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gibt es für Schulen und Lehrende beispielsweise Materialsammlungen, konkrete Unterrichtseinheiten, Handreichungen oder Beispielcurricula. In anderen Bundesländern, zum Beispiel in Hamburg, Rheinland-Pfalz und im Saarland, fallen die Angebote deutlich geringer aus, dort wird vermehrt auf externe Angebote wie die Verbraucherzentralen verwiesen.
Regionale und bundesweite Unterstützungsangebote sowie Lehrpläne der Verbraucherbildung
Unter Verbraucherbildung vor Ort finden Sie eine Übersicht der verschiedenen Ansätze der Bundesländer, wie Verbraucherbildung an Schulen umgesetzt wird. Die Linksammlung besteht aus länderspezifischen Lehrplanbezügen, Unterstützungsangeboten, Best-Practice-Beispielen und Wettbewerben, sortiert nach Bundesland.
Die Kernforderungen des vzbv
Der Verbraucherzentrale Bundesverband stellt konkrete Forderungen an die Bildungspolitik der Länder und des Bundes:
Verbraucherbildung muss als eigener, prüfungsrelevanter Bestandteil in allen Schulformen verankert werden und zwar bundesweit, am besten mit einem ausgewiesenen Ankerfach und/oder fachübergreifend.
Eine hochwertige Verbraucherbildung braucht verbindliche Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte, die die Erfahrung von Verbraucherschutzexperten wie den Verbraucherzentralen aufgreift.
Produkt- und Markenwerbung sowie Akquise müssen in der Schule ausnahmslos verboten sein. In der Schule vermittelte Verbraucherbildung zeigt Kindern und Jugendlichen, wie sie selbstbestimmt und kritisch Konsumentscheidungen treffen. Dafür unabdingbar sind unabhängige Unterrichtsmaterialien und ein Lernumfeld, das frei von wirtschaftlichen Interessen ist.
Als präventiver Verbraucherschutz ist Verbraucherbildung von bundesweiter Bedeutung. Der Bund muss in die Lage versetzt werden, die Länder bei ihren Bildungsaufgaben zeitlich unbegrenzt zu unterstützen und zu fördern.
Verbraucherkompetenzen von Kindern und Jugendlichen müssen regelmäßig erhoben und evaluiert werden. So lässt sich Verbraucherbildung erfolgreich verbessern.
Verbraucherbildung bundesweit verankern
Verbraucherbildung ist Bildung für eine gewinnbringende und kritische Lebensführung und somit essentieller Bestandteil der schulischen Bildung. Die entsprechenden Empfehlungen der Kultusministerkonferenz verpflichten alle Bundesländer, Verbraucherbildung durch entsprechende Richtlinien, Rahmenvorgaben und Curricula in den Lernalltag von Heranwachsenden zu integrieren. In der praktischen Umsetzung zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) engagiert sich seit Jahren dafür, dass Verbraucherbildung bundesweit stärker und verlässlich in den Lehr- und Bildungsplänen aller Schulformen verankert wird. Nur mit bundeseinheitlichen Bildungsstandards kann gewährleistet werden, dass alle Kinder und Jugendlichen die gleiche Chance haben, die nötigen Kompetenzen für ein selbstbestimmtes Leben zu erlernen. Denn die Konsum-, Medien und Wirtschaftswelt kümmert sich nicht um föderale Bildungszäune, sondern stellt alle jungen Menschen sowie erwachsene Verbraucherinnen und Verbraucher vor die gleichen Herausforderungen.
Mit dem Netzwerk Verbraucherbildung unterstützt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bundesweit Schulen, die Kinder und Jugendliche fit für den Alltag machen. Wir geben interessierten Schulen Starthilfe bei der Umsetzung von Verbraucherbildung, bieten regelmäßig aktuelle Informationen, unterstützen mit Online-Fortbildungen und bringen Lehrende zusammen. Das Netzwerk steht unter Schirmherrschaft von Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Aktive Schulen können sich zudem um die Auszeichnung Verbraucherschule bewerben. Eine Anmeldung im Netzwerk Verbraucherbildung ist jederzeit möglich.
der vzbv fordert
- Verbraucherbildung muss eigener, prüfungsrelevanter Bestandteil an allen Schulen sein.
- Lehrende müssen durch Aus- Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen qualifiziert werden
- Verbraucherbildung braucht qualitativ hochwertige Unterrichtsmaterialien, die frei von werblichen und unternehmerischen Einflüssen sind.
- Produkt- und Markenwerbung hat an Schulen nichts zu suchen.
- Verbraucherbildung braucht Evidenz. Die Kompetenzen von Heranwachsenden müssen regelmäßig evaluiert werden
Werbefreie Schule
Unternehmen nutzen Schulen immer wieder, um ihre Marke dort zu platzieren und damit die lohnenswerte Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen schon früh zu beeinflussen und ihre Marke bekannt zu machen. Wirtschaft nimmt so schleichend Einfluss auf die Bildungsinhalte in der Schule.
Im Gegensatz zu kostspieliger Medienwerbung ist der Zugang über Schulen für Unternehmen günstig zu haben und Botschaften werden langfristig und besonders glaubwürdig platziert. Die Forschung bestätigt schon seit Langem, dass sich jeder in Kinder und Jugendliche investierte Cent für Marketing sich später um ein Vielfaches in der Markenbindung zum Unternehmen auszeichnet. Unternehmen wissen dies genau und versuchen immer öfter, diese Lücke zu ihrem eigenen Vorteil zu schließen und ihre Logos über Unterrichtsmaterialien und Projekttage im Klassenzimmer zu positionieren. Der Übergang zur Werbung ist dabei fließend.
Der Lernort Schule hat einen Bildungs- und Schutzauftrag, Kinder und Jugendliche für werbliche Beeinflussung zu sensibilisieren und einen Raum anzubieten, der Schüler vor werblicher Einflussnahme schützt. Doch bestehende Regelungen in den 16 Bundesländer bieten hier nur unzureichende Grundlagen. Schulen und Lehrende brauchen deshalb Unterstützung. Der vzbv bietet mit dem Netzwerk Verbraucherbildung und dem Materialkompass Hilfe.
der vzbv fordert
- Einführung eines generellen Werbeverbots an Schulen, um Heranwachsende vor wirtschaftlicher Einflussnahme zu schützen.
- Einführung eines öffentlichen Registers, das die Aktivitäten von Unternehmen, wirtschaftsnahen Verbänden und Stiftungen an Schule nachvollziehbar macht.
- Schulen und Unterrichtsmaterialien dürfen nicht als Werbefläche missbraucht werden. Unternehmen sollten über ihre Aktivitäten in Schule sprechen dürfen - aber nur in eigenen Medien (z. B. Internetseite, CSR-Berichte) oder Medien außerhalb der Schule (z. B. Zeitungen). Firmen-Logos haben in der Schule nichts verloren. Als Unterrichtsgegenstand können sie kritisch thematisiert werden.
- Lehrende müssen durch verbindliche Aus-, Fort- und Weiterbildung befähigt werden, sich mit der Einflussnahme an Schulen kritisch auseinanderzusetzen.
Qualität und Unabhängigkeit von Unterrichtsmaterialien
Auf dem Bildungsmarkt finden sich zahlreiche, frei verfügbare Unterrichtsmaterialien von Unternehmen, Verlagen, Stiftungen und öffentlichen Institutionen. Deren Qualität schwankt erheblich. Je nach Herausgeber können die Materialen interessensgeleitet, einseitig oder schlichtweg inhaltlich falsch sein. Während Schulbücher von den zuständigen Kultusministerien auf Herz und Nieren geprüft werden, bevor sie zugelassen werden, können Arbeitsmaterialien von Interessensvertretern ohne Umweg auf den Schreibtischen der Schülerinnen und Schüler landen.
Lehrerinnen und Lehrer müssen dabei unterstützt werden, geeignetes und qualitativ hochwertiges Material zu finden und es für den Unterricht einsetzbar zu machen und zu adaptieren. Eine Qualitätsprüfung und das transparente Aufzeigen möglicher Einflussnahme Dritter sind daher unabdingbar. Durch die Vielzahl und Fülle an unterschiedlichen Formaten digitaler Bildungsmaterialien müssen dabei differenzierte und nachvollziehbare Kriterien Anwendung finden. Dabei sind vor allem die fachliche, methodisch/didaktische und gestalterische Qualität von Bedeutung.
Der Materialkompass des vzbv dient als unabhängige und neutrale Prüfstelle für Unterrichtsmaterialien der Verbraucherbildung. Auf der Grundlage eines evaluierten Bewertungsrasters prüfen namenhafte Gutachter Inhalte aus den Themengebieten Medien & Digitales, Finanzen, Marktgeschehen & Verbraucherrecht, Ernährung & Gesundheit sowie nachhaltiger Konsum & Globalisierung. Ziel ist es, Lehrenden Sicherheit beim Einsatz von Materialien im Unterricht zu verschaffen. Der Materialkompass hilft Lehrkräften doppelt: Er ist einerseits ein Serviceportal, das eine große Anzahl thematisch passender Unterrichtsmaterialien auflistet, und dient weiterhin als Bewertungsinstrument, mit dem auf empfehlenswerte, aber auch auf weniger gute oder interessengeleitete Materialien aufmerksam gemacht wird.
der vzbv fordert
- Die qualitative Bewertung von Unterrichtsmaterialien muss weiter ausgebaut werden.
- Erfahrungen aus der Erprobung und dem praktischen Einsatz im Unterricht müssen bei der Bewertung von Materialien einbezogen werden.
- Einbeziehung von Open Educational Ressources in die Bewertung und Entwicklung eines entsprechenden Systems (z.B. durch eine Lehrer-Community).
- Etablierung einer engen Kooperation zwischen bestehenden Plattformen für Unterrichtsmaterialien.