In Deutschland werden jeden Tag tonnenweise noch genießbare Lebensmittel weggeworfen. Was gegen die große Verschwendung getan werden kann und wie Schule dabei helfen kann, weiß Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), der größten Umweltstiftung der Welt.
1. Herr Dr. Bottermann, bemühen sich schon genügend Menschen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln?
Das Thema ist zumindest präsent. Viele Menschen wissen um die große Verschwendung und deren Folgen. Aber unsere Lebensmittel sind so billig, da machen sich viele eben nicht die Mühe, Reste zu verwerten. Wir müssen die Menschen dazu bringen, ihre Einstellung und ihr Handeln in Einklang zu bringen.
2. In einer neuen DBU-Studie zum Thema heißt es, privaten Haushalten fehle oft alltagspraktisches Wissen. Woran mangelt es genau?
Viele Menschen trauen ihren eigenen Sinnen nicht mehr. Da werden Obst oder Gemüse in die Tonne geworfen, obwohl sie nur kleine Druckstellen haben, die man wegschneiden könnte. Oder sie werfen den Yoghurt weg, weil er ein paar Tage über dem Mindesthaltbarkeitsdatum ist und sie sich nicht zutrauen, selbst mit Nase, Augen, Geschmackssinn zu prüfen, ob der nicht noch genießbar ist.
3. Wie kann man die Sinne der Menschen wieder schärfen?
Indem man ihre Emotionen anspricht. Wir versuchen das in unserer neuen Wanderausstellung „ÜberLebensmittel“. Da zeigen wir, wie sich Lebensmittel verändern, wie sie hergestellt und transportiert werden, was für Folgen die Lebensmittelproduktion für Umwelt, Mensch und Klima hat. Wir richten uns damit speziell an Schulklassen. Denn gerade jungen Menschen, die oft im Überfluss aufwachsen, fehlt dieses Wissen und die Wertschätzung von Lebensmitteln.
4. Kann Bildung gegen Lebensmittelverschwendung helfen?
Ja. Wir müssen bestimmte Fertigkeiten im Umgang mit Lebensmitteln reaktivieren. Früher bekam man noch Zuhause oder in der Schule mit, wie sich Lebensmittel haltbar machen oder Reste verwerten lassen. Das ist leider passé – gehört meines Erachtens aber zum Grundstock an Wissen, den sich jeder junge Mensch bis zum Auszug aus dem Elternhaus angeeignet haben sollte.
5. Was kann Schule hier tun?
Sie muss die große Verschwendung und ihre Folgen zum Thema machen. Sie betrifft wesentliche Fragen der Lebensführung und Nachhaltigkeit. Schülerinnen und Schüler müssen sie reflektieren. In meiner Schulzeit gab es noch ein Fach Haushalts- und Ernährungswissenschaften, das war auch im Abitur wichtig. Heute gibt es so etwas nur noch in Ausnahmen. Mit der Folge, dass viele Kinder und Jugendliche die Schule als Konsumanalphabeten verlassen. Ich halte das für einen Fehler. Bildung für nachhaltige Entwicklung, Verbraucherbildung und die Vermittlung von Alltagskompetenzen müssen wieder eine größere Rolle spielen. Am besten in einem eigenständigen Fach.
Datum: 12.09.2016
„Schule muss die Verschwendung von Lebensmitteln überwinden helfen“
Fünf Fragen an … Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt