Datum: 17.08.2017

Was Jugendliche vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk lernen können – und umgekehrt

Medienbildung in Zeiten von Fake-News und Filterblasen

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk - Blick auf Kamera-Monitor - (c)  Jseubring - Pixabay CC0

Quelle: (c)  Jseubring - Pixabay CC0

17,50 Euro jeden Monat – ist das wirklich nötig? Der Rundfunkbeitrag sorgt immer wieder für Diskussionen. Es ist eine Diskussion, die auch an Schulen geführt werden muss – denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielt in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle - noch! Experten warnen davor, dass seine Bedeutung weiter schwindet, wenn sich die großen Medienanstalten nicht öffnen und modernisieren.

Der Streit um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk findet statt in einer Zeit des digitalen Wandels, der Individualisierung und in einer unübersichtlicher gewordenen Welt. Die Frage ist, ob die Gesellschaft ein solches Angebot überhaupt noch braucht. Die AfD spricht von einer ungerechtfertigten „Zwangsfinanzierung“ der öffentlich-rechtlichen Sender. Andere Parteien hingegen weisen auf die Notwendigkeit eines Qualitätsjournalismus hin und argumentieren mit dem Informationsauftrag, den ARD, ZDF und Co. erfüllen.

Schaut man sich Zahlen an, kann man allerdings durchaus die Frage stellen, ob öffentlich-rechtliche Sender ihren Informationsauftrag für die Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wirklich erfüllen. Durchschnittlich verbringen 14- bis 29-Jährige knapp zehn Stunden täglich mit Medien. Doch laut der europäischen Jugendstudie „Generation What?“, an der sich fast eine Million Menschen zwischen 18 und 34 Jahren beteiligt haben, vertrauen 79 Prozent der Befragten den klassischen Medien nicht mehr. Die „Mitte-Studie 2016“ der Universität Leipzig zeigte außerdem, dass jüngere Menschen in Deutschland öffentlich-rechtliche Medien weniger für politische Informationen nutzen als ältere: bei den 14- bis 30-Jährigen sind es nur 45 Prozent – gegenüber fast 70 Prozent bei den über 60-Jährigen.

Jugendliche in der Filterblase

Klassische Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen, geben ihre bisherige Rolle somit zunehmend ab. „Bei den 16- bis 18-Jährigen haben die sozialen Netzwerke inzwischen höhere Nutzungszahlen als redaktionelle Internetquellen“, sagt Christa Gebel vom „JFF – Institut für Medienpädagogik“ und weist gleichzeitig auf ein Problem hin: „Schwierig wird das, wenn die Herkunft der Meldung aus sozialen Netzwerken nicht überprüft wird. Und die Gefahr besteht, denn Jugendlichen ist es wichtig, dass sie schnell das Aktuellste wissen; dass Informationen geprüft sind, ist ihnen nicht ganz so wichtig.“ Entscheidend sei für Jugendliche außerdem, was ihre Freunde zu den News denken.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Nachrichten in sozialen Netzwerken grundsätzlich falsch sind oder nur aus nicht journalistischen Quellen stammten. „Aber es kommt zu einer sozialen und algorithmischen Filterung“, so die Diplom-Psychologin. Eine solche "Filterblase" oder auch Echo-Kammer kann dafür sorgen, dass die ankommenden Nachrichten tendenziell homogener sind und Meldungen nach anderen Kriterien ausgewählt werden als durch eine Nachrichtenredaktion.

 

Die Forderung: Bessere Online-Angebote und mehr Transparenz

 

Was kann man aus diesem Bedeutungsverlust ableiten? Hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich seine Legitimation verloren? Oder ist es nicht gerade jetzt wichtiger als jemals zuvor, dass es Medien gibt, die einen Auftrag hinsichtlich der Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit für die Öffentlichkeit erfüllen? Für Christa Gebel ist die Sache klar: Will der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft noch eine Rolle spielen, muss er sich modernisieren. „Jugendliche lehnen die öffentlich-rechtlichen Programme ja nicht wegen ihres Auftrags ab, sondern weil sie in der Machart oft zu behäbig und trocken daherkommen und für weniger Gebildete oft schwer verständlich sind. Verständliche Nachrichten und Magazine zu machen, die trotzdem komplexen Sachverhalten gerecht werden und an die Interessen der Jugendlichen anknüpfen, ist eine echte Herausforderung.“ Zudem sei der Einbezug von Online-Medien wichtig. Das Online-Angebot „funk“ für junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren ist ein erstes Experiment in diesem Bereich.

Dr. Christine Horz vom Institut für Medienwissenschaften an der Bochumer Ruhr-Universität stellt zwei weitere Forderungen: mehr Partizipation und Transparenz. Die Initiatorin der Initiative für einen Publikumsrat wünscht sich vor allem Beteiligungsmöglichkeiten im Internet und eine offen geführte Debatte über den anstehenden Wandel. Denn Transparenz schaffe Vertrauen. Aber Transparenz meint für sie noch mehr: „Gerade in Zeiten der Fake-News-Debatte ist Inhaltstransparenz wichtig – also wie gelangen Journalisten an ihre Informationen und wie verifizieren sie diese. Diesen Prozess der Konstruktion eines Medieninhalts nachvollziehbar zu machen, halte ich für enorm wichtig“, so die Kommunikationswissenschaftlerin im Interview. Und an dieser Stelle kommen die Schulen ins Spiel.

Journalistische Recherche als Thema in der Schule

„Was wir heute zumeist an Medienkompetenzvermittlung sehen, folgt einem technikdeterminierten Verständnis oder richtet sich an die Nutzer als Opfer“, kritisiert Christine Horz. Sie würde sich wünschen, dass neben Themen wie Cybermobbing und Datenschutz die Schüler ganz allgemein etwas über die Medien und ihre Funktionsweisen lernten. „Dazu gehört etwa die zentrale Stellung der Medien für die Meinungsbildung, für politische und kulturelle Partizipation, die Chance von Vernetzung und Austausch sowie die Möglichkeiten der Schaffung alternativer Öffentlichkeiten im Gegensatz zu Echo-Kammern.“ Auch Christa Gebel sieht es als Problem, dass laut einer Lehrbuchanalyse von 2016 die kritische Reflexion des Mediensystems zu wenig angeregt werde. Auch hätten Jugendliche zu wenig Hintergrundwissen über glaubwürdige Recherche.

Beide Medienexpertinnen könnten sich im Sinne einer umfassenden Medienbildung eine engere Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen und den Öffentlich-Rechtlichen gut vorstellen. So könnten Journalisten öffentlich-rechtlicher Medien beispielsweise in den Unterricht kommen, um über ihre Arbeitsweise und ihren gesellschaftlichen Auftrag aufzuklären. Ein erster Schritt in diese Richtung ist vielleicht die Online-Plattform „So geht Medien“ des Bayerischen Rundfunks, die Medienwissen an Lehrer und Schüler vermitteln will – in Form von Videos und Unterrichtsmaterialien.

Gemeinsame Finanzierung und Förderung von Medienkompetenz?

Christa Gebel äußert aber auch klare Wünsche an die Lehrer: „Nicht auf den Lehrplan warten, sondern selbst neue Inhalte integrieren. Jugendliche als Experten ansprechen: Woher bekommt man heutzutage den Nachrichtenüberblick, was nutzen sie selbst, was bringt es? Medienpädagogische Projekte initiieren, zum Beispiel ein Schulradio oder sich umschauen, was es schon gibt.“

Eine Möglichkeit sind beispielsweise Kooperationen mit Bürgermedien, die es in vielen Städten gibt und die konkret den Auftrag haben, Medienkompetenz zu fördern. Sie erhalten sogar über die Landesmedienanstalten einen kleinen Anteil aus dem Rundfunkbeitrag, wie Christine Horz erklärt. „Es spräche also nichts dagegen, wenn auch die öffentlich-rechtlichen Medien ihren Bildungsauftrag einfach etwas weiter fassen würden, um beispielsweise mit Schulen in gemeinsamen Medienbildungsworkshops zu kooperieren“, so die Kommunikationswissenschaftlerin. In Großbritannien gibt es einen solchen Ansatz bereits, dort fördert die BBC auch finanziell die Medienkompetenz an Schulen. Denn neben dem Internet ist Schule wahrscheinlich der einzige Ort, an dem öffentlich-rechtliche Medien Jugendliche überhaupt noch erreichen können.

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