Der häufige Konsum von zuckerhaltigen Getränken ist ein Risikofaktor für die Gesundheit. Experten warnen regelmäßig vor den langfristigen Folgen von zu viel Softdrinks, Fruchtsäften oder Energy-Drinks. Mit der Frage, wie Kinder und Jugendliche dazu gebracht werden können, zu gesünderen Alternativen zu greifen, hat sich nun eine Metastudie, ein sogenannter Cochrane Review, beschäftigt. Der Schule kommt dabei eine entscheidende Rolle zu – in Bezug auf das Angebot sowie die notwendige Ernährungsbildung.
„Wasser, Wasser, Wasser!“ In der Stimme von Margareta Büning-Fesel ist das Ausrufezeichen deutlich zu hören, wenn sie über das Thema gesundes Trinkverhalten spricht. Als Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) beobachtet sie mit Sorge, dass der Konsum von Süßgetränken bei Kindern und Jugendlichen seit Jahren zu hoch ist. Die häufig als „Zuckerfallen“ und „Dickmacher“ bezeichneten Getränke gelten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als zentraler Faktor für die weltweit steigende Anzahl an Adipositas-Fällen sowie als Mitverursacher von Karies, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Frage ist, wie Kindern und Jugendlichen die gesündere Alternative Wasser auf Dauer schmackhaft gemacht werden kann. „Denn Trinken ist vor allem eine Gewohnheitssache“, betont Margareta Büning-Fesel. Mit reinen Verboten sei es deshalb nicht getan – weder im Elternhaus, noch in der Schule.
Nudging: Gesunde Angebote machen
Welche Maßnahmen in der Schule dazu beitragen können, dass weniger Softdrinks und gesüßte Getränke konsumiert werden, damit hat sich der aktuelle Cochrane Review „Verhältnispräventive Maßnahmen zur Reduktion des Konsums und der gesundheitlichen Folgen von Süßgetränken“ beschäftigt. Für diese Metastudie hat ein deutsch-britisches Forscherteam 58 Studien zu einzelnen Maßnahmen gegen Süßgetränke wie Lebensmittelampeln oder Verbotsregelungen analysiert und bewertet, ob es verlässliche wissenschaftliche Belege für ihre Wirksamkeit gibt – 16 dieser analysierten Studien beziehen sich auf den Lebensraum Schule.
Ein Ergebnis ist, dass ein reduziertes Angebot in Bildungseinrichtungen definitiv hilft, den Süßgetränkekonsum zu verringern. „Das hat etwas mit ‚Nudging‘ zu tun“, sagt Margareta Büning-Fesel. „Nudging heißt, die Leute anzustupsen, damit sie ihr Verhalten ändern, sie aber nicht dazu zu zwingen.“ Sie verweist zugleich auf eine Studie des Kompetenzzentrums für Ernährung (KErn) in Bayern. Ein Jahr lang wurde in zwei Mensen getestet, inwieweit Nudging zu einer gesünderen Auswahl beim Essen führen kann. Das Ergebnis: Der Wasserkonsum konnte durch kostenfreie Trinkwasserstationen erhöht werden. „Das zeigt: Wenn ich etwas anbiete, ohne großes Gerede darum zu machen, und etwas anderes weglasse, kann ich Verhalten relativ einfach beeinflussen, weil sich die Schülerinnen und Schüler anstrengen müssten, an die Alternative zu kommen“, so die Einschätzung der Ernährungsexpertin.
Best Practice: Ein Trinkbrunnen in der Grundschule
Dass dieser Ansatz wirklich funktioniert, kann Schulleiterin Marlies Trägenapp jeden Tag in ihrer eigenen Schule, der Friedrich de la Motte Fouqué Grundschule in Nennhausen (Brandenburg), beobachten. 2017 wurde dort ein Trinkwasserspender installiert. „Ich habe ein Jahr lang an einer Schule in Texas gearbeitet“, berichtet Marlies Trägenapp im Interview. Dort habe sie sich daran gewöhnt, dass es in allen öffentlichen Gebäuden Trinkwasser gebe und habe den Entschluss gefasst, auch an ihrer Schule ein solchen Angebot zu machen.
„Wir sehen natürlich, dass immer wieder übergewichtige Kinder eingeschult werden. Auch deshalb wollen wir gesunde Alternativen bieten, die sie von zu Hause vielleicht nicht kennen“, so die Schulleiterin. Allerdings wollte sie auf keinen Fall eine Ballonlösung mit Plastikbechern, sondern einen Wasserspender, der direkt an die Wasserleitung angeschlossen wird. "Wir wollten etwas Nachhaltiges schaffen", sagt Marlies Trägenapp. Zwei weitere Gründe sprachen aus ihrer Sicht für die Installation: Die Kinder sollen keine schweren Flaschen mehr schleppen müssen und zugleich jederzeit Zugang zu ausreichend Wasser haben – der Grundlage für konzentriertes Lernen.
Nachdem Marlies Trägenapp die Entscheidung gefasst hatte, war die Einführung des Trinkwasserbrunnens dann überraschend leicht: Sie hat Elternschaft, Förderverein und Schulträger von der Idee überzeugt, Angebote eingeholt und die Hygienevoraussetzungen mit dem Gesundheitsamt geklärt. Seitdem steht gut erreichbar im Erdgeschoss der Grundschule ein Trinkwasserspender, „der noch immer hochfrequentiert ist“, sagt Trägenapp. Auch sie ist überzeugt: „Man muss einfach Motivation schaffen. Wenn etwas leicht zu erreichen beziehungsweise zu bekommen ist, wird es genutzt.“ Niedrigschwellig ist das Wort, das sie dafür verwendet. Die Befürchtungen mancher Kollegen, die Kinder würden Unsinn machen und die Schule unter Wasser setzen, habe sich nicht bestätigt – im Gegenteil. Wasser erfahre nun eine ganz andere Wertschätzung.
Kombination aus Angebot und Ernährungsbildung
Margarete Büning-Fesel vom BZfE fallen noch weitere positive Beispiele aus dem Schulalltag ein. Sie erinnert sich vor allem gerne an eine Lehrerin aus dem Saarland, die immer frisches Wasser in einem kugelförmigen Wasserspender vorne auf ihrem Pult stehen hatte, aus dem sich die Kinder etwas nehmen durften. „Das war ihre Zauberkugel. Das war etwas Besonderes für die Kinder“, sagt Büning-Fesel und muss lachen. „Es kommt wirklich aufs Storytelling an.“ Eine andere Idee könnte auch sein, Wasser in der Klasse zur Verfügung zu stellen und es mit Früchten, Gurke oder Minze anzureichern, damit es abwechslungsreicher wird.
Dennoch weiß Margareta Büning Fesel – und darin wird sie von Marlies Trägenapp sowie vom Cochrane Review bestätigt –, dass es immer eine Mischung aus Verhaltens- und Verhältnisprävention geben muss. Sprich: Ein gesundes Angebot hilft nur bedingt etwas, wenn es nicht mit einer sinnvollen Ernährungsbildung ergänzt wird. „Natürlich ist es zunächst ein sinnvoller Schritt, wenn sich die Schulkonferenz entscheidet, dass gar keine Süßgetränke mehr an Schulen angeboten werden, aber das bringt nichts, wenn die Kinder und Jugendlichen dann nachmittags umso mehr nach zuckerhaltigen Getränken greifen“, sagt die Ernährungsexpertin des BZfE. Es gehe darum, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Angebot auseinandersetzen, dass sie lernen, Etiketten zu lesen und zu reflektieren, welche gesunden Alternativen es gibt. „Wir brauchen kritische Konsumenten!“ sagt Margareta Büning-Fesel – und bei diesem Satz ist das Ausrufezeichen in ihrer Stimme wieder deutlich zu hören. (lmi)