Datum: 29.08.2016

„Digitale Spiele haben ihren Platz im Unterricht verdient“

Fünf Fragen an …Christiane Schwinge, freie Medienpädagogin

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Quelle: (c) Pressefoto Initiative Creative Gaming e.V.

Elemente aus Computerspielen für Aufgaben in der realen Welt nutzen – unter dem Schlagwort „Gamification“ taucht diese Praxis gerade in der Bildungslandschaft auf. Was hier schon passiert und welche Vorzüge diese Art des Unterrichtens mit sich bringt, erklärt die Medienpädagogin Christiane Schwinge im Interview.

1. Frau Schwinge, mit digitalen Spielen lernen – wie kann das aussehen? 

Da gibt es unzählige Wege. Ich kann mit ihnen zum Beispiel chemische Prozesse illustrieren oder physikalische Gesetze veranschaulichen. Das ersetzt zwar keine herkömmlichen Experimente, kann sie aber flankieren. Gerade in der Schulbildung bieten sich Spiele sehr gut zur Wissensvermittlung an – weil sie die Schülerinnen und Schüler aktivieren und diese das Medium gut kennen.

2. Passiert das in deutschen Schulen schon? 

Nicht wirklich. Aber wir erleben, dass einige Elemente digitaler Spiele in unseren Alltag schwappen. Denken Sie an das Punktesammeln mit Rabattmarken im Supermarkt, das hat auch etwas Spielerisches. Diese „Gamification“, also die Nutzung einzelner Spielelemente, bietet auch für die Bildung Vorteile. In Schulen ist das momentan aber eher die Sache einzelner engagierter Lehrkräfte. 

3. Welche Vorteile sehen Sie denn in dieser „Gamification“?

Spielerisch lernt es sich immer leichter. Und das gilt auch für digitale Spiele, zumal die heute ohnehin fest zum Alltag der Jugendlichen gehören. Wer Elemente daraus für den Unterricht nutzt, holt sie in ihrer Lebenswelt ab und kann vielleicht leichter ihr Interesse auch für sperrigere Themen wecken. „Gamification“ eröffnet zudem neue methodische Möglichkeiten. In Baden-Württemberg etwa nutzt ein Lehrer das für die Schule entwickelte digitale Rollenspiel “World of Classcraft“. Wenn die Schüler im Online-Spiel Erfolg haben, neue Kenntnisse erworben haben, erhalten sie Belohnungen. Sie dürfen dann zum Beispiel im Unterricht essen. 

4. Was erwarten Sie für die Zukunft? 

Dass „Gamification“ ein fester Bestandteil des Unterrichts wird, sehe ich in nächster Zeit nicht. Das würde beim Einbezug digitaler Medien oft schon an der technischen Ausstattung der Schulen scheitern. Dann spielt die Medienbildung in der Ausbildung der meisten Lehrkräfte immer noch eine Nebenrolle. Das ist auch eine Hürde. Und die Schulbuchverlage haben „Gamification“ für ihre Unterrichtsmaterialien auch noch nicht entdeckt. Da sind die Hersteller von Spielen und Bildungsmedien aktiver. 

5. Sie fänden es besser, wenn Schule stärker auf „Gamification“ setzt? 

Ja. Schule sollte Spiele stärker zur Wissensvermittlung nutzen, egal ob digitale oder analoge. Das sind tolle Medien, um Inhalte und Kompetenzen zu vermitteln. Aber die „Gamification“ erfordert andere Formen von Unterricht: er muss offener sein, den 45-Minuten-Takt auch mal brechen dürfen und er verlangt teils eine intensivere Vorbereitung seitens der Lehrerinnen und Lehrer. Das Tolle an der „Gamification“ ist ja, dass sie für jedes Fach einen Mehrwert bieten kann. Um ihn zu heben, müssen die Lehrkräfte aber erstmal dazu befähigt werden – durch eine Ausbildung, in der Medienbildung obligatorisch ist.