Ernährungsbildung gilt als effektive Maßnahme, um Kinder und Jugendliche vor Übergewicht und Adipositas zu bewahren, allerdings scheint ausschlaggebend, wie Lehrkräfte sie umsetzen. Eine aktuelle Feldstudie des Instituts für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität Bonn weist darauf hin, dass allein die Informationen, welche Gesundheitsrisiken und Umweltfolgen mit dem Konsum bestimmter Lebensmittel verbunden sind, die Ernährung nicht messbar beeinflussen. „Eine Verhaltensänderung in Bezug auf die Ernährung lässt sich nur erreichen, wenn die emotionale Ebene berücksichtigt wird“, sagt Katja Kröller, Professorin für Ernährungspsychologie an der Hochschule Anhalt. Im Zuge ihrer Forschung widmet sie sich unter anderem der Frage, welche psychologischen Aspekte die Entwicklung von Nahrungspräferenzen beeinflussen und wie Menschen langfristig ihr Ernährungsverhalten ändern können.
„Das Nahrungsangebot ist nicht begrenzt, wir haben die Wahl, daher wird das, was wir essen, vor allem durch psychologische Aspekte beeinflusst“, erklärt Professorin Kröller. Diese Nahrungspräferenzen seien zum einen an den Geschmack gekoppelt sowie an gewohnte Lebensmittel und Gerichte, zum anderen an emotionale Aspekte. „Während wir essen, speichern wir sämtliche Umgebungsfaktoren als emotionale Erinnerungen. Diese werden mit dem Essen und den damit verbundenen Gerüchen und Geschmäcken wieder wachgerufen.“ Ein Problem dieser Verbindung: Als gesund geltendes Essen werde oftmals recht nachdrücklich an Kinder und Jugendliche herangetragen, wodurch negative Assoziationen entstehen könnten. Im Vergleich dazu seien Süßigkeiten und Süßspeisen häufig mit positiven Ereignissen verknüpft, wie Belohnungen und festlichen Gelegenheiten. „Nahrungspräferenzen können sich allerdings auch verändern“, versichert Kröller. Besonders bei jungen Kindern ließen sie sich noch gut beeinflussen, mit zunehmendem Alter wachse zudem das Gewicht der Peergroup. Dadurch sei die Ausgangslage schulischer Ernährungsbildung günstig.
Besonders effektiv könne schulische Ernährungsbildung wirken, wenn Lehrkräfte die emotionale Seite berücksichtigten, so die Ernährungspsychologin. „Zum Beispiel, indem die Schüler:innen die Gelegenheit bekommen, etwas anzupflanzen. Dafür braucht es nicht einmal ein Beet, Kräuter in einem Topf auf der Fensterbank haben denselben Effekt.“ Gleichzeitig sollte sich der Unterricht mit den wachsenden Pflanzen beschäftigen, zum Beispiel den Wachstumsprozess fokussieren oder das Thema Regionalität. Ebenfalls hilfreich sei laut Professorin Kröller, wenn Lehrkräfte ihre Schüler:innen anregten, sich mit dem eignen Essverhalten auseinanderzusetzen. Dafür eigne sich etwa ein selbst zusammengestelltes Rezeptbuch mit den Lieblingsrezepten der Klasse: „Die Kinder können sich dann mit den jeweiligen Inhaltsstoffen beschäftigen, um zu sehen, wie gesund das Lieblingsgericht ist.“
Auch Ansätze, die die Partizipation fördern, könnten sich positiv auf das Ernährungsverhalten auswirken, so Kröller. Eine Möglichkeit, sofern an der Schule eine Mensa existiert: Im regelmäßigen Wechsel darf sich jeweils eine Klasse ein Gericht wünschen, das eine Woche lang zusätzlich auf dem Speiseplan steht. „Sobald die Schüler:innen involviert sind und Verantwortung tragen, nutzen sie ihr Wissen“ rund um eine ausgewogene Ernährung, so die Ernährungspsychologin. Bisher habe sie, wenn sie die Einführung dieser Methode an einer Schule begleitete, „immer positive Effekte bei den Schüler:innen beobachtet“. Zusätzlich zum Partizipationsaspekt biete dieser Ansatz einen weiteren Vorteil: Durch den andauernden Wechsel finde Ernährungsbildung nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich statt.
Grundsätzlich empfiehlt Kröller zudem „die individuelle Realität der Kinder und Jugendlichen zu berücksichtigen und nicht dogmatisch einzelne Produkte zu verbieten“. Bereits im Grundschulalter erlebten Kinder beim Einkauf, wie Erwachsene Produkte kaufen, die sie als ungesund kennengelernt haben. Dadurch entstehe eine Diskrepanz: „Sie lernen, dass diese Produkte nicht gut sind und sie sie nicht essen sollen, aber beobachten, dass es andere Menschen trotzdem machen.“ Sinnvoller sei es daher, ihnen mit Blick auf eine ausgewogene Ernährung Verhältnismäßigkeit zu vermitteln. Einmal pro Woche eine Süßspeise zum Mittag, etwa als Teil des Mensa-Angebots sei „vollkommen in Ordnung“.