Kinder und Jugendliche sind wie nie zuvor von audiovisuellen Medien umgeben. Ob auf der großen Kinoleinwand, im Fernsehen, im Internet oder in den sozialen Medien: Bewegte Bilder üben eine große Faszination aus. Auch für den Unterricht können sie gewinnbringend eingesetzt werden – nicht nur um Inhalte zu veranschaulichen, sondern gerade auch, um zu lernen, Videos und Filme zu dechiffrieren und eventuelle Manipulationen zu erkennen. Bildungsprojekte wie Vision Kino helfen Lehrkräften gezielt dabei, diese Art der Filmbildung fächerübergreifend in der Schule umzusetzen.
Etwa acht bis zwölf Filmempfehlungen zum aktuellen Kinoprogramm veröffentlicht die gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der Film- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen Vision Kino jeden Monat auf ihrer Website. Darüber hinaus finden Lehrkräfte dort nach Alter, Klassenstufe und Themen sortierte, kostenfreie Unterrichtsmaterialien sowie Leitfäden zur Filmbildung. Ergänzend veranstaltet Vision Kino in jedem Bundesland die „SchulKinoWochen“. Schulklassen können während dieser Zeit ausgewählte Kinovorstellungen zu einem geringen Eintrittspreis besuchen. Die angebotenen Filme bieten in der Regel Anknüpfungspunkte zu unterrichtsrelevanten Themen. „Unsere schulische Bildungsarbeit startet bereits im Vorschulalter und reicht bis zum Abitur und in die berufsbildenden Schulen“, sagt Sabine Genz, Projektleiterin bei Vision Kino. Das Schöne am Film als Medium für den Unterricht sei, dass er fast alle Kinder anspricht – und zwar ganz unterschiedlich. „Jeder sieht quasi seinen eigenen Film. Gerade auch Kinder, die sich vielleicht in Schrift und Sprache nicht so perfekt ausdrücken können, sind manchmal bei Filmbildungsprojekten auf einmal diejenigen, die die tollen Ideen haben oder die was ganz Besonderes gesehen haben, was sie dann mit den anderen teilen können.“
Im schulischen Kontext sei es allerdings wichtig, Film nicht einfach zu rezipieren, sondern einen kritischen Geist zu wecken, so Sabine Genz. „Schulen unterrichten Lesen und Schreiben, weil wir in unserer Welt von Texten umgeben sind und weil das wichtig für die Kommunikation ist, für das ganze Leben“, erklärt die Medienwissenschaftlerin. „Heute und schon seit vielen Jahren sind wir ebenso von Bildern und immer mehr von audiovisuellen Inhalten umgeben. Und Bilder können auch manipulieren, das wissen wir. Deswegen ist es wichtig, auch Film lesen zu lernen.“
Filme, die zur Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, wie etwa „Jud Süß“, seien exemplarisch für die starke Wirkung des bewegten Bilds, erklärt Genz. Teilweise sind sie deswegen in Deutschland immer noch unter Verschluss oder dürfen nur unter ganz bestimmten Bedingungen gezeigt werden. „Filme wirken emotional und können Vorurteile entstehen lassen oder festschreiben. Wenn man aber geschult ist und erkennen kann, wie Filme auch ganz unbewusst manipulieren, dann hilft es natürlich, sich in der heutigen Zeit zurechtzufinden.“
Denn auch auf YouTube oder Tik Tok gebe es unzählige Videos, die allein schon durch ihre Schnitttechnik manipulieren. „Da sieht es dann beispielsweise so aus, als würde jemand von einem Hausdach in einen 1,5 Kilometer weit entfernten Basketballkorb treffen“, sagt Sabine Genz. „Wer weiß, wie Montage funktioniert, kann so etwas auch hinterfragen. Und das allein, denke ich, ist schon eine gute Immunisierung gegen die Manipulation durch Bewegtbilder.“ Genau deswegen sei nicht nur das Lernen mit Film als Informationsträger, sondern das Lernen über Film das Ziel von Vision Kino. Die zahlreichen Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte – vom Arbeitsblatt mit eingebettetem Filmausschnitt zur Analyse bis hin zum Filmheft – gehen deshalb gezielt auf die verschiedenen Betrachtungsweisen von Film ein: von der kreativen Dimension über die kritische Dimension oder Filmanalyse bis hin zur kulturell-zeitlichen Einordnung.
Was ist echt und was nicht? Welche Rolle spielen Maske und Kostüm, welche Licht und Kameraführung? Wie werden Personen oder Menschengruppen dargestellt? Warum sind Filmsequenzen in schwarz-weiß gedreht? Solche und viele weitere Fragen führen zu einer intensiven kritischen Betrachtung. Aber auch die Kontextualisierung von Filmen in historische, kulturelle oder politische Zusammenhänge spiele eine wichtige Rolle, sagt Sabine Genz. Im Unterricht sei es deshalb zum Beispiel auch spannend, sich einmal verschiedene Verfilmungen eines Romans aus unterschiedlichen Zeiten anzuschauen. Bei „Emil und die Detektive“ etwa lasse sich untersuchen, wie unterschiedlich der Stoff in den Versionen von 1931, 1964 und 2001 dargestellt wird und welche Rolle die Entstehungszeit dabei spielt. „Wie wird diese Geschichte erzählt, wer erzählt sie, über wen wird erzählt und wie? Solche Fragen lassen sich natürlich auch übertragen, wenn auf einem Messenger-Dienst Videos geteilt werden“, sagt Sabine Genz. „Wenn Kinder und Jugendliche hinterfragen, wer ein Video gemacht hat und ob vielleicht eine bestimmte Absicht dahintersteckt, dann haben wir viel erreicht.“
Über Vision Kino
Vision Kino ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der Film- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Ziel und Aufgabe von Vision Kino ist es, als Teil der kulturellen Jugendbildung und im Rahmen einer übergreifenden Medienkompetenz, insbesondere die Filmkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu stärken und sie gleichzeitig für den Kulturort und originären Rezeptionsort des Films, das Kino, zu sensibilisieren.
Vision Kino wird unterstützt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Filmförderungsanstalt, der Stiftung Deutsche Kinemathek sowie der „Kino macht Schule“ GbR, bestehend aus dem Verband der Filmverleiher e.V., dem HDF Kino e.V., der Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V. und dem Bundesverband kommunale Filmarbeit e.V. Die Schirmherrschaft über Vision Kino hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernommen.