Wie überträgt sich das Coronavirus? Wie kann ich mich vor einer Infektion schützen? Was bringt mir die Impfung? Das sind nur einige der Fragen, die besonders in den ersten Jahren der Pandemie auch junge Verbraucher:innen im Alltag beschäftigt haben. Sie verdeutlichen, wie unerlässlich es ist, in der Lage zu sein, gesundheitsrelevante Informationen zu finden und mit ihnen umzugehen. Diese Kompetenz können bereits Schulen fördern – nicht nur im Unterricht, sondern auch, „indem sie die Strukturen, Prozesse und Rahmenbedingungen in und um Schule adressieren“, sagt Orkan Okan, Professor für Gesundheitskompetenz an der Technischen Universität München. Zusammen mit Sandra Kirchhoff, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität München, will er Bildungseinrichtungen bei diesem Unterfangen mit einem Leitfaden unterstützen.
Gesundheitskompetenz hat laut Professor Okan zwei Dimensionen: eine personale und eine systemische. „Die personale Gesundheitskompetenz ist die Fähigkeit von Menschen, Informationen zur Gesundheit zu finden, diese zu verstehen, kritisch zu bewerten und dann im Lebensalltag für Verhaltensweisen und Gesundheitsentscheidungen einzusetzen.“ Diese individuelle Fähigkeit sei jedoch von äußeren Faktoren abhängig und in Relation zu diesen zu betrachten, denn „das Individuum ist immer sozial eingebettet in seine Umwelt“. Ziel von Gesundheitskompetenzförderung sollte es daher sein, sowohl die personalen Kompetenzen zu adressieren als auch die sozialen Rahmenbedingungen, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen und leben, um auf diese Weise auf ihre Bedarfe einzugehen.
Wie Schulen dieses relationale Modell der Gesundheitskompetenz realisieren können, erarbeitet derzeit ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Okan an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität München. Im Modellprojekt „Gesundheitskompetente Schule: Organisationsentwicklung für die Stärkung der Gesundheitskompetenz im Setting Schule (GeKoOrg-Schule)“ entwerfen sie ein Konzept sowie einen entsprechenden Leitfaden, wie sich Gesundheitskompetenz in die Schulentwicklung integrieren lässt. Dabei setzen sie auf die Mitwirkung von Lehrkräften, Schulleitungen und anderen an Schule tätigen Fachkräften, um mithilfe ihrer Erfahrungen die Praxistauglichkeit zu erhöhen.
„Die gesundheitskompetente Schule gestaltet Prozesse, Strukturen und Rahmenbedingungen so, dass in ihrem Setting, Gesundheitskompetenz entwickelt, eingeübt und gefördert werden kann“, erklärt Professor Okan. Welche Bereiche und Ebenen der Schulorganisation dabei ausschlaggebend sind, geht aus den acht im Projekt bereits ausgeformten Standards hervor. Neben der Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenz der Schüler:innen durch beispielsweise Lernangebote (Standard 4) sehen diese etwa vor, dass Lehrkräfte Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten, die sie befähigen, die entsprechenden Inhalte verständlich zu vermitteln (Standard 5). Die Kooperation mit Erziehungsberechtigten und außerschulischen Gesundheitsfachkräften ist demnach eine weitere Stellschraube (Standard 7 und 8), „um ein gesünderes Aufwachsen in der Schule zu ermöglichen“.
Basierend auf diesen Standards hat das Forschungsteam ein Selbstbewertungstool konstruiert, mit dem Schulen eigenständig ihre Verbesserungspotenziale identifizieren können. Dieses soll wie auch der Leitfaden und spezifisch entworfenes Unterrichtsmaterial zur Gesundheitsbildung im nächsten Jahr erscheinen. „Dann können alle Schulen in Deutschland oder eher im gesamten deutschsprachigen Raum – unabhängig von der Schulart – damit arbeiten“, so Professor Okan. Er ist sich allerdings bewusst, dass zunächst die dafür notwendigen Ressourcen vorhanden sein müssen. Mit Blick auf den Unterricht schlägt er daher vor, Gesundheitskompetenz mit passenden Lehrplaninhalten zu verknüpfen. „Neben der Verbraucherbildung eignet sich dafür etwa die digitale Bildung.“ Medienkompetenz ließe sich zum Beispiel in Verbindung mit gesundheitsrelevanten Inhalten vermitteln. „Das ist, aus meiner Sicht, der niedrigschwelligste und ressourcenschonendste Weg; eine Win-Win-Situation für alle Seiten.“