Über sieben Prozent – so hoch wie aktuell war die Inflationsrate in Deutschland seit Anfang der 80er Jahre nicht mehr. Davon sind auch Schüler:innen betroffen und entwickeln gleichzeitig vielfältige Vorstellungen darüber, was jetzt zu tun ist. Deshalb sei es auch wichtig, dass Lehrkräfte das Thema Inflation im Unterricht aufgreifen, sagt Birgit Weber, Professorin für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Ökonomische Bildung an der Universität zu Köln.
Der Begriff Inflation beschreibt laut Bundeszentrale für politische Bildung den „Anstieg des Preisniveaus“: Die durchschnittlichen Verbraucherpreise nehmen über einen längeren Zeitraum zu, wodurch sich Menschen immer weniger von einem bestimmten Geldbetrag kaufen können. Die Inflationsrate gibt dabei an, „um wie viel Prozent das allgemeine Preisniveau im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist“. Selbst wenn Schüler:innen die derzeitige Steigerung des Preisniveaus nicht wahrgenommen haben sollten, weil sie nicht dauernd Preise vergleichen, „bekommen sie ja mit, dass alles teurer wird“, so Professorin Weber, etwa über ihre Eltern, die mit erheblich höheren Kosten für den Lebensunterhalt zurechtkommen müssten, oder durch die Berichterstattung in den Medien.
Inflation sei für Schüler:innen allerdings nicht selbsterklärend, mahnt die Sozialwissenschaftlerin. Denn in einem marktwirtschaftlichen System wie dem in Deutschland seien Preisänderungen grundsätzlich normal. Entscheidend sei es, dass Schüler:innen zwischen einer erwünschten Preisflexibilität einzelner Güter und einer unerwünschten mangelnden Preisniveaustabilität unterscheiden können. So signalisieren steigende Preise einzelner Güter in der Regel, dass die Nachfrage größer ist als das verfügbare Angebot, und fallende Preise, dass Güter im Vergleich zum Bedarf im Überfluss vorhanden sind. „Wenn aber das gesamte verfügbare Angebot im Verhältnis zur Nachfrage knapp wird, steigt das ganze Preisniveau“, erklärt Weber. Genau dieser Umstand führe zur gegenwärtig hohen Inflation. „So will die EU Russland aufgrund des aggressiven Überfalls auf die Ukraine mit Sanktionen bewegen, von einem Krieg abzusehen. Deutschland ist aber gegenwärtig vom russischen Erdgas abhängig, das nun Russland weiter verknappt. Gleichzeitig sind durch die Corona-Pandemie immer noch Lieferketten gestört. Durch den Krieg und den Klimawandel fielen zudem die Ernten schlecht aus, sodass sich auch die Preise für die Lebensmittel erhöht haben. Und gleichzeitig haben viele Menschen nach dem Corona-Lockdown einen Nachholbedarf.“
Um diese komplexen Zusammenhänge von Inflation zu vermitteln, eigneten sich in erster Linie solche Fächer, die wirtschaftliche Themen fundiert behandeln, empfiehlt Weber. Das sind neben eigenständigen Fächern für Wirtschaft auch Kombinationsfächer wie Politik-Wirtschaft oder Integrationsfächer wie Sozialwissenschaft. „Gerade diese Fächer sind dazu da, die Lernenden für gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen zu sensibilisieren, die Zusammenhänge und Ursachen zu vermitteln und sie schließlich anzuleiten, auch die Maßnahmen beurteilen zu können, die die Probleme lindern sollen, aber oft mit neuen Problemen einhergehen.“ Erkämpfen die Arbeitnehmer:innen infolge des Preisanstiegs etwa höhere Löhne, um den Wertverlust des Geldes auszugleichen, entstehen für die Unternehmen höhere Kosten, die diese zumeist über steigende Preise wieder an die Verbraucher:innen weitergeben – „die Lohn-Preis-Spirale schaukelt sich hoch: nur leider wird das Angebot nicht von selbst mehr“.
Einen ähnlichen Effekt können Steuerentlastungen haben, wie sie die Bundesregierung mit dem geringeren Mehrwertsteuersatz auf Gas plant: Die Nachfrage bleibt hoch, überschreitet weiterhin das verfügbare Angebot und sorgt für hohe Preise. „Gerade Menschen mit geringem Einkommen geraten angesichts der steigenden Energiekosten in existenzielle Nöte, wenn sie nicht spezifisch unterstützt werden.“
Weitere Möglichkeiten, „die gegenwärtig hohe Inflation als Lerngelegenheit nicht verstreichen zu lassen“, erkennt Weber im Geschichtsunterricht mit Blick auf die Hyperinflation in Deutschland vor knapp 100 Jahren oder in der Mittelstufe, wenn die Schüler:innen sich mit Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte beschäftigen. „Dann können sie anhand der Einkommen und Verbrauchsausgaben beispielhafter Haushalte ermitteln, wie sich die Inflation auf unterschiedliche Haushalte auswirkt.“ Mit dem persönlichen Inflationsrechner der Europäischen Zentralbank können sie zudem bestimmen, wie stark die Haushalte in den unterschiedlichen europäischen Ländern betroffen wären.
Nicht ratsam sei es, gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte beziehungsweise Stabilisierungspolitik erst in der Sekundarstufe II im Unterricht zu thematisieren, so Weber. „Schüler:innen, die nicht in die gymnasiale Oberstufe kommen, erfahren dann nichts von den Problemen, nichts von ihren Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten. Enthält man ihnen dies aber vor, muss man sich nicht wundern, wenn allzu viele Menschen Verschwörungstheorien aufsitzen.“