Verbraucherbildung soll Schüler:innen befähigen, ein selbstbestimmtes, verantwortungsvolles und gesundheitsförderliches Leben führen zu können. Aus Sicht von Sonderpädagogin Sarah Nordhaus ist es daher naheliegend, dass sie einen großen Stellenwert an Förderschulen für geistige Entwicklung einnimmt. „Das Leitziel der Förderschule geistige Entwicklung – zumindest hier in NRW – ist die Selbstverwirklichung in sozialer Integration und das geht eben zu einem hohen Maße über Verbraucherbildung“, so die Pädagogin. An der Raphael-Schule in Recklinghausen, an der Sarah Nordhaus als Lehrerin arbeitet, gehöre die Verbraucherbildung deshalb ganz selbstverständlich zum Schulalltag.
„Unsere Schülerschaft braucht viel Unterstützung auf dem Weg zur Selbstständigkeit“, sagt Sonderpädagogin Nordhaus. Aus diesem Grund stünden alltagsnahe, praktische Themen und Kompetenzen, die „mit der Verbraucherbildung sehr deckungsgleich sind“, schon seit Jahren im Mittelpunkt des Unterrichts an der Raphael-Schule. Das gelte unabhängig von der Klassenstufe, die von der Primar- bis zur Berufspraxisstufe reicht. Ausschlaggebend für den Lernerfolg seien dabei jeweils zwei Bedingungen: die Elementarisierung der Inhalte und der Lebensweltbezug, erklärt Nordhaus. „Wir müssen das Ganze so aufbereiten, dass es für unsere Schülerschaft greifbar wird und die Schüler:innen einen Sinn für sich erkennen, sich mit dem Inhalt zu beschäftigen und das Gelernte auch umzusetzen.“
Dem Thema „Plastikmüll in den Meeren“ näherten sich die Schüler:innen der Primarstufe beispielsweise mithilfe einer Geschichte, die die Folgen der Verschmutzung am Schicksal eines Fisches darstellt. „Die Geschichte bietet eine Empathie-Ebene, auf der sich die Kinder mit dem Fisch identifizieren können“, so Nordhaus. Auf diese Weise sollen sie nachvollziehen können, warum es nicht nur wichtig ist, Müll korrekt zu entsorgen, sondern auch möglichst wenig zu produzieren. „Denn selbst der Müll, den ich in die Mülltonne schmeiße, wird ja nicht zwangsläufig wiederverwertet, sondern landet mitunter leider auch in den Meeren.“ Weniger Müll bedeute in diesem Zusammenhang ein besseres Leben für den Fisch.
In der S-Stufe – etwa fünfte bis sechste Klasse – helfen wiederum die Schulhühner, den Schüler:innen Aspekte nachhaltiger Ernährung zu vermitteln. „Es geht dabei unter anderem um artgerechte Haltung“, so Nordhaus. Die Schüler:innen übernehmen klassenweise für bis zu ein Jahr lang die Patenschaft der Schulhühner und damit die Verantwortung für sie. In dieser Zeit erwerben sie das notwendige Wissen, um sich um die Tiere zu kümmern, setzen sich mit unterschiedlichen Haltungsformen und den jeweiligen Lebensbedingungen der Tiere auseinander sowie mit der damit verbundenen Frage, welche Eier sie mit gutem Gewissen kaufen können. „Die Unterrichtseinheit wird sehr gut angenommen und ist durch den direkten Bezug zu den Hühnern, die auf dem Schulhof leben, für die Schüler:innen sehr greifbar und extrem motivierend.“
Begriffe der Verbraucherbildung in einfacher Sprache
Von A wie Abbuchung bis Z wie Zinsen – im Wörterbuch der Verbraucherbegriffe erklärt die Verbraucherzentrale „die wichtigsten Begriffe aus dem Verbraucheralltag in einfacher Sprache“. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).
Beim Thema Finanzen sorgen etwa Ausflüge in den Supermarkt um die Ecke für einen praktischen Bezug. Die gesamte Schulzeit hindurch beschäftigen sich die Schüler:innen mit unterschiedlichen Aspekten dieses Schwerpunkts: Während die unteren Stufen lernen, mit Geld umzugehen, erfahren die älteren Schüler:innen, worauf sie achten sollten, wenn sie Verträge abschließen und wie teuer die erste eigene Wohnung ist. Gerade diese Kontinuität der Inhalte sei entscheidend, so Nordhaus. Denn: Nur durch Wiederholung ließen sich die Lernergebnisse langfristig sichern und dadurch die Basis für ein möglichst selbstbestimmtes Leben schaffen.
Ausgezeichnete Verbraucherschule
Im Schuljahr 2021/2022 erhielt die Raphael-Schule, Förderschule für geistige Entwicklung in Recklinghausen, die Auszeichnung „Verbraucherschule Silber“. Damit würdigte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) den Einsatz des Lehrkollegiums, die Schüler:innen mit vielfältigen Inhalten der Verbraucherbildung vertraut zu machen. Der vzbv vergibt die Auszeichnung jährlich in den Kategorien Gold, Silber und Bronze, zuletzt auch in der Sonderkategorie Extra, für gezieltes Engagement in der Corona-Zeit.