Die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz macht sich seit ihrer Gründung im Jahr 2010 für mehr Verbraucherbildung an Deutschlands Schulen stark. Warum sich die Stiftung diesem Thema widmet, wie sie sich dafür einsetzt und was sie sich für die Zukunft wünscht, erklärt deren Geschäftsführerin, Dr. Melanie Weber-Moritz, im Interview.
Frau Dr. Weber-Moritz, die DSV engagiert sich für mehr Verbraucherbildung in der Schule. Warum?
Weil viele Kinder und Jugendliche heute viel zu wenig über gesunde Ernährung, Finanzen, Vertragsrecht, Datensicherheit oder nachhaltigen Konsum wissen. An den meisten Schulen in Deutschland stehen diese Themen nicht verbindlich auf dem Stundenplan. Teilweise haben Schülerinnen und Schüler hier erschreckende Defizite. Das belegen viele Studien, auch eine von uns beauftragte aus dem Jahr 2013.
Wissenslücken dürften Kinder und Jugendliche ebenso bei anderen Themen haben…
Aber in Sachen Konsum wirken sie sich direkt auf ihren Alltag, ihr Leben aus. Wenn sie sich etwa durch mangelnde Finanzkompetenz verschulden oder Opfer von Betrug im Netz werden, weil sie über Online-Fallen nicht aufgeklärt wurden. Zudem verlangt der Staat heute mehr und mehr Eigenverantwortung. Denken Sie nur an die Altersvorsorge. Um gute Angebote zu erkennen oder zu wissen, worauf man bei einer Beratung achten sollte, braucht es ökonomischer Vorkenntnisse. Wer gute ökonomische Bildung genossen hat, ist hier klar im Vorteil. Wir wollen, dass sich Kinder und Jugendliche möglichst frühzeitig mit diesen Themen auseinandersetzen.
Wie unterstützt die DSV das?
Wir fördern aktuell fünf Projekte zur Verbraucherbildung in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Zusammen unterstützen wir derzeit acht Schulen auf ihrem Weg zur „Verbraucherschule“. Also dabei, die Verbraucherbildung fest in Unterricht und Schulalltag zu integrieren. Mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) haben wir außerdem die Auszeichnung „Verbraucherschule“ auf den Weg gebracht. Damit werden jene Schulen honoriert, die schon Vorbildliches zur Verbraucherbildung leisten oder das konkret planen.
Was steht bei Ihren Schulprojekten im Vordergrund?
Fürs Leben zu lernen. Unsere Projektschulen legen Wert auf Praxis. Sie arbeiten nicht nur mit den Verbraucherzentralen zusammen, sondern zum Beispiel auch mit der Arbeitsagentur oder der Industrie- und Handelskammer. Und sie legen inhaltliche Schwerpunkte auf die Vermittlung von Alltagskompetenzen. Die Umsetzung ist dabei unterschiedlich und reicht von Projektwochen zum Thema gesunde Ernährung über das Anlegen eines Schulgartens bis hin zur Unterstützung durch sogenannte Medienscouts. Das sind Jugendliche, die ihren Mitschülerinnen und -schülern bei Fragen rund um das Internet und digitale Medien zur Seite stehen.
Wie kommen diese Projekte an?
Sehr gut. Unser Konzept zieht immer weitere Kreise. Erst kürzlich hat die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta Ernst eine unserer Projektschulen, die Gemeinschaftsschule in Wilster, besucht. Besonders freut uns, dass die Lehrkräfte unserer Projektschulen über Fortschritte bei den Konsumkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schülern berichten. Davon profitieren am Ende auch deren Eltern, die von ihren Kindern dazulernen können.
Was planen Sie für die Zukunft?
Perspektivisch sollte Verbraucherbildung bundesweit in den Lehrplänen aller Schulformen verankert sein. Dazu müssen die Inhalte verbindlich und prüfungsrelevant in den Lehr- und Bildungsplänen der Länder stehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler sich am Ende ihrer Schullaufbahn auch tatsächlich Alltagskompetenzen angeeignet haben. Außerdem wollen wir die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften stärker unterstützen.
Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Selbstverständlich hoffen wir, dass wir mit unseren Leuchtturm-Projekten in Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen einen Schneeballeffekt erzeugen und weitere Schulen für die Verbraucherbildung begeistern. Aber wir brauchen auch mehr politische Unterstützung. Die Kultusministerkonferenz und die Verbraucherschutzministerkonferenz haben zwar schon klar formuliert, dass Verbraucherbildung fester Bestandteil des Schulunterrichts werden soll. Dem müssen nun aber auch Taten folgen.
Auf welche Taten spielen Sie an?
Als festes Unterrichtsfach für weiterbildende Schulen gibt es Verbraucherbildung nur in Schleswig-Holstein. Fachübergreifende Ansätze werden derzeit in Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen erprobt. Es ist an der Zeit, dass der bildungspolitische Auftrag in allen Bundesländern umgesetzt und Verbraucherbildung verbindlich an Schulen unterrichtet wird.
Datum: 04.07.2016
„Verbraucherbildung muss bundesweit im Unterricht verankert werden“
Dr. Melanie Weber-Moritz, Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz (DSV) im Interview