Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und Verbraucherschutz hängen eng zusammen. Darüber, dass beides in den Schulen gelehrt und gelebt werden sollte, herrscht allgemeiner Konsens. Doch bei der Umsetzung hapert es an vielen Stellen. Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), berichtet im Interview, was ihre Idealvorstellung ist und warum sie sich gegen konkrete Vorgaben von Bund oder Ländern ausspricht.
„Beim Klimaschutz kommt Schulen eine besondere Bedeutung zu.“ Dieses Zitat stammt von Ihrer Amtsvorgängerin Dr. Barbara Hendricks. Teilen Sie diese Einschätzung? Und was sind Ihre Gründe?
Ja, Schulen und Bildungseinrichtungen kommt natürlich eine besondere Bedeutung zu. Im Zentrum stehen dabei die Schülerinnen und Schüler. Wir haben die Aufgabe, vor allem junge Menschen umfassend zu den wichtigen Themen Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zu informieren und sie mit Wissen und Kompetenzen zu versorgen. Nur dann können sie gute Entscheidungen treffen.
Die Lehrenden in den Schulen benötigen fundiertes, wissenschaftlich geprüftes Material und Anregungen für neue Lehr- und Lernmethoden. Eine von meinem Haus beauftragte Untersuchung aus dem Jahr 2021 und auch andere Studien zeigen deutlich, dass es in der Ausbildung von Lehrenden zu wenig Angebote zu Klima- und Nachhaltigkeitsthemen gibt. Wir können aber nicht nur darauf warten, dass sich die Curricula ändern. Daher bieten wir mit unserer Plattform „Umwelt im Unterricht“ fachlich aufbereitete Informationen und didaktische Anregungen für unterschiedliche Lernniveaus und Altersgruppen an. Seit zwölf Jahren erscheint jeden Monat ein neues Thema.
Auch der Schulraum selbst ist wichtig, der ja häufig als „dritter Pädagoge“ bezeichnet wird. Ich bin sicher, dass Schulen und Bildungseinrichtungen in klimafreundlichen, nachhaltigen Gebäuden mit einer regionalen, biodiversitätsfreundlichen und gesunden Verpflegung, mit Schulgärten, Blühwiesen oder nachhaltigen Schülerfirmen eine positive Wirkung auf Schülerschaft, Lehrkörper und Eltern haben können.
Was ist Ihre Idealvorstellung, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung – die vielfach eng mit Verbraucherbildung zusammenhängt – in den Lehrplänen und der Lehrerausbildung angemessen berücksichtigt wird?
Auf jeden Fall brauchen wir nicht noch ein weiteres Schulfach. Bildung für nachhaltige Entwicklung und damit auch Bildung für ein gesundes Klima zielen immer auf einen ganzheitlichen fächer- und themenübergreifenden Ansatz. Das heißt zum Beispiel, dass wir die Stärkung der natürlichen Ökosysteme auch immer im Zusammenhang mit unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden sehen müssen. Wenn wir lernen, wie sehr uns die Natur schützt und wie sehr wir diesen Schutz mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften aufs Spiel setzen, dann wären wir sicher schon weiter.
Ich wünsche mir, dass diese Themen viel mehr in Schulen und Bildungseinrichtungen besprochen und vor allem erlebbar gemacht werden. Junge Menschen berichten uns immer wieder, wie wichtig es für sie ist, Bezüge zu ihrem eigenen Leben und ihrer Lebenswelt herstellen zu können. Der natürliche Klimaschutz oder die Biodiversität bieten hier sehr viele Ansatzpunkte. Am Ende geht es um die schlichte Frage: Wie wollen wir morgen leben, und was müssen und können wir heute dafür tun?
Als Bundesministerin für Verbraucherschutz sind Sie auch Schirmherrin der Auszeichnung Verbraucherschule. Welche Rolle spielt Verbraucherbildung auf dem Weg, Schüler:innen für nachhaltiges Handeln zu sensibilisieren?
Es ist heute wichtiger denn je, dass sich möglichst viele Menschen früh mit diesen Themen vertraut machen und auskennen. Wenn sich Schüler:innen bereits in der Schule das Wissen aneignen können, hilft es ihnen, später gute Kauf- oder Vertragsentscheidungen zu treffen. Schließlich sind Kinder und Jugendliche die Verbraucherinnen und Verbraucher von morgen. Wenn beispielsweise bewusst ist, wie Einwegverpackungen aus Kunststoff unsere Ressourcen verschwenden, unsere Umwelt belasten und am Ende die Meere verschmutzen, dann entscheiden sich hoffentlich immer mehr Menschen beim nächsten Essen für unterwegs für Mehrwegverpackungen. Schulen sind entscheidende Lernorte – auch für die Anliegen des Umwelt-, Ressourcen- und Verbraucherschutzes.
Es gibt bereits Vorreiter-Schulen, die sowohl BNE als auch Verbraucherbildung im Unterricht integriert haben. Warum werden aus deren Erfahrungen keine verpflichtenden Konsequenzen für alle Schulen gezogen?
Schulen und Bildungseinrichtungen sind in ihrem jeweiligen lokalen Umfeld verwurzelt. Die Zusammensetzung der Schülerschaft, die Umgebung, die sozio-ökonomische Situation vor Ort, aber auch die Landschaft variieren und führen zu einer hohen Vielfalt. Daher ergibt es wenig Sinn, eine „One-fits-all“-Lösung vorzuschreiben. Im Gegenteil: Wir müssen dieser Vielfalt Rechnung tragen und die Angebote so gestalten, dass die einzelne Schule sie nach ihren eigenen Möglichkeiten nutzen und einbinden kann. Die eine Schule etabliert ein gesundes und nachhaltiges Frühstück für die gesamte Schulgemeinschaft, in der nächsten bewirtschaften die Schülerinnen und Schüler einen Garten und versorgen die schuleigene Kantine. In einer anderen Schule kümmert sich eine Schüler:innen-Firma um Energieeffizienz. Im Idealfall tauschen sich die Schulen aus, geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter und machen sich so Schritt für Schritt auf den Weg.