Abgeholzte Wälder, verschmutztes Grundwasser – Verbraucher:innen müssten eigentlich deutlich mehr für Lebensmittel bezahlen, als dies der Fall ist, denn derzeit berücksichtigen die Marktpreise nicht die Folgekosten, die etwa durch produktionsbedingte Umweltbelastungen entstehen. Darauf weisen verschiedene Studien aus den vergangenen Jahren hin. Welche Produkte und Produktionsformen mit welchen versteckten Kosten einhergehen, können Lehrkräfte im Unterricht behandeln, um Schüler:innen für eine klimabewusste Ernährung zu sensibilisieren.
Fast dreimal so teuer wären konventionell produzierte Fleisch- und Wurstwaren, würde der Ladenpreis einige der Folgekosten beinhalten, die die Herstellung verursacht. Das geht aus der Fallstudie hervor, die Tobias Gaugler, Professor für Management in der Ökobranche der Technischen Hochschule Nürnberg, noch als Wissenschaftlicher Assistent der Universität Augsburg 2020 durchgeführt hat. Bislang trage die Gesellschaft diese Folgekosten: Sie zahle beispielsweise für Klimaschäden, zu denen auch der Treibhausgasausstoß der Landwirtschaft beitrage, oder für die Aufbereitung des von Düngemittel verunreinigten Wassers. Dadurch komme es zu Fehlbepreisungen. Wie hoch diese sind, berechnete Gaugler mit seinem Forschungsteam, indem er ermittelte, inwiefern die Herstellung einiger Lebensmittel die Umwelt belastet, und diese Kosten auf den damals üblichen Marktpreis aufrechnete. Die Studie kam zu zwei grundlegenden Erkenntnissen:
- Konventionell hergestellte Nahrungsmittel haben höhere Folgekosten als Bio-Lebensmittel.
- Die höchsten Folgekosten verursachen tierische Lebensmittel.
Verglichen mit den damaligen Preisen wäre bei Fleisch, konventionell hergestellt, ein Aufschlag von 173 Prozent notwendig gewesen, um einen Großteil der Umweltbelastungen auszugleichen, beziehungsweise von 126 Prozent bei ökologischer Produktion. Deutlich geringer waren dagegen die Preisunterschiede bei pflanzlichen Produkten. Der Apfel hätte um acht beziehungsweise vier Prozent teurer sein müssen, die Kartoffel um zwölf beziehungsweise sechs Prozent.
Für die Preisberechnung fokussierte das Forschungsteam auf vier Produktionsfaktoren mit negativem Umwelteinfluss: erzeugter Stickstoff, erzeugte Klimagase, benötigte Energie und Landnutzungsänderungen wie die Trockenlegung von Mooren und die Abholzung von Regenwaldflächen. Darüber hinaus müssten den Wissenschaftler:innen zufolge noch weitere Parameter einbezogen werden, um die vollständigen Folgekosten abschätzen zu können, etwa der Einsatz von Pestiziden oder der Verlust der Artenvielfalt. Diese Vielschichtigkeit lässt sich als charakteristisch für den Bildungsbereich nachhaltige Entwicklung beschreiben. „Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung basiert auf den 17 Nachhaltigkeitszielen, den SDGs. Das ist ein Fächerkanon, der an sich schon eine Komplexität mit sich bringt“, erklärt Heike Molitor, Professorin für Umweltbildung und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Im schulischen Kontext komme es daher auf die didaktische Reduktion an.
In der Grundschule hat Professorin Molitor positive Erfahrungen mit dem Konzept des ökologischen Rucksacks gemacht. Beim Vergleich eines Plastikbesens mit einem Reisigbesen war es die Aufgabe der Schüler:innen jeweils für jede Produktionsstation einen Holzklotz in einen Rucksack zu legen und weitere in Abhängigkeit von der Menge verbrauchter Ressourcen, um den Ressourcenbedarf zu symbolisieren. „Man kann am Ende sehr leicht erkennen, welcher Rucksack schwerer ist, welcher Produktionsprozess mehr verbraucht.“ Dieses Vorgehen ließe sich auch mit Lebensmitteln umsetzen, um die versteckten Kosten aufzuzeigen.
Ältere Lernende könnten sich dem Thema mithilfe eines klimafreundlichen Frühstücks nähern, das sie selbst organisieren, zubereiten und anschließend verzehren. „Das Ziel ist, die Schüler:innen zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Ich glaube, ein Erfolgsschlüssel dabei ist, sie selbst Erfahrungen machen zu lassen.“ Der rein kognitive Zugang sei schwierig: „Wir wissen oftmals, was besser wäre, und tun es trotzdem nicht.“ Entscheidend für eine emotionale Ansprache seien der konkrete Bezug zur Lebenswelt und die Handlungsorientierung, die das Gefühl vermittle, selbst etwas bewegen zu können. „Es ist allerdings auch wichtig herauszuarbeiten, dass es Ebenen gibt, auf die das Individuum keinen Einfluss hat, wo die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft gefragt sind, um nicht alles bei jungen Menschen abzuladen“.