Wasser bildet die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Ein nachhaltiger Umgang mit dieser bedeutenden Ressource ist nicht erst gefragt, seitdem die Bundesregierung ihre Nationale Wasserstrategie im März 2023 verabschiedet hat. Ein nachhaltiger Wasserverbrauch setzt allerdings voraus, dass neben dem direkt genutzten Wasser etwa zum Trinken, Kochen oder Putzen das indirekt gebrauchte Wasser, bekannt als virtuelles Wasser, ebenfalls Beachtung findet. Dieses steckt beispielsweise in Lebensmitteln und anderen Produkten, wird für deren Herstellung oder für Dienstleistungen benötigt. Mit der Frage, wie Lehrkräfte ihren Schüler:innen das Konzept des virtuellen Wassers näherbringen können, hat sich Kerstin Kremer, Professorin für Biologiedidaktik und geschäftsführende Direktorin am Institut für Biologiedidaktik der Justus-Liebig-Universität Gießen, beschäftigt.
„Wasserverbrauch ist ein klassisch interdisziplinäres Unterrichtsthema“, erklärt Professorin Kremer. Trotzdem lasse es sich auch fachspezifisch aufarbeiten. Passende Unterrichtsbeispiele hat sie gemeinsam mit Fachkolleg:innen für die Fächer Biologie, Geographie und Mathematik im Zuge des Buchprojekts „Ich sehe Was(ser), was du nicht siehst…“ entwickelt.
Ausgangspunkt der Lerneinheiten bildet der Wasserfußabdruck. Er ist das Ergebnis einer Modellrechnung, in die die direkt und indirekt genutzte Wassermenge einfließt. Deutschlands Wasserfußabdruck betrug laut Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2021 beispielsweise 219 Milliarden Kubikmeter Wasser. Er berechnet sich laut der Umweltbehörde folgendermaßen:
- Nutzung heimischer Wasservorkommen – Export virtuellen Wassers + Import virtuellen Wassers = konsuminduzierter Wasserfußabdruck
Auf die Bevölkerung verteilt nutzte demnach im Durchschnitt jede Person in Deutschland täglich 7,2 Kubikmeter oder 7.200 Liter Wasser.
Der Wasserfußabdruck lässt sich nicht nur für Länder und Personen berechnen, sondern auch für einzelne Güter und Dienstleistungen. Lehrkräften biete er dadurch die Möglichkeit, sich dem Prinzip des virtuellen Wassers schülerbezogen im Unterricht anzunähern, so Kremer. „Wir haben den Fokus in den Unterrichtseinheiten auf bekannte Konsumgüter gelegt, um einen Bezug zum Alltag der Schülerinnen und Schüler zu schaffen.“ Landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Tomaten oder Fleisch oder Baumwollprodukte wie T-Shirts ermöglichten Schüler:innen einen niedrigschwelligen Zugang, um sich mit dem produktionsbedingten Wasserverbrauch auseinanderzusetzen. „Für die unterrichtliche Betrachtung ist dabei die Differenzierung in die drei Wassertypen – grün, blau und grau – wichtig.“
Als grünes Wasser gilt natürlich vorkommendes Boden- und Regenwasser, das Pflanzen etwa im Zuge ihres Wachstumsprozess aufnehmen. Wässert ein Landwirt seine Felder zusätzlich, indem er Grundwasser oder Wasser aus einem Fluss beziehungsweise See entnimmt, handelt es sich um blaues Wasser. Die Kategorie „Graues Wasser“ veranschaulicht die Wasserverschmutzung, die durch die Produktion entsteht. Sie gibt laut Umweltbundesamt an, wie viel Süßwasser rein rechnerisch benötigt wird, um die Gewässerverunreinigungen auf ein Niveau zu verdünnen, das den gesetzlichen oder vereinbarten Standards entspricht.
Über die Unterteilung in grünes, blaues und graues Wasser „lässt sich sehr schön aufzeigen, was an der Wassernutzung problematisch ist“, erklärt Kremer. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang ebenfalls die Orte des jeweiligen Anbaus: die dort verfügbaren Wasserressourcen oder Wasseraufbereitungsmöglichkeiten. Ein bekanntes und in vielen Schulbüchern schon vertretenes Negativbeispiel, welche ökologischen Folgen der exzessive Einsatz blauen Wassers haben kann, sei der Aralsee in Zentralasien. Einst flächenmäßig fast so groß wie das Bundesland Bayern, bedeckt er heute nach Zahlen des Umweltbundesamtes nur noch etwa zehn Prozent seiner ehemaligen Fläche. Der Grund: „Für den Anbau von Baumwolle wurden gigantische Wassermengen entnommen, sodass der See fast ausgetrocknet ist“, so die Biologiedidaktikerin.
Trotz der Komplexität eignen sich Fragen rund um eine nachhaltige Wassernutzung nicht nur für höhere Jahrgangsstufen, sondern auch für den Grundschulunterricht. Während Lehrkräfte mit älteren Schüler:innen fachlich tief über Ressourcennutzung, Folgen für Umwelt und Bevölkerung, globale Herausforderungen sowie Lösungsansätze diskutieren könnten, biete sich für jüngere Kinder ein wertorientierter Zugang an. „In der Grundschule geht es erst einmal darum, das Bewusstsein für die Ressource Wasser zu schärfen, dass wir Wasser eben auch versteckt verbrauchen“, sagt Professorin Kremer. Mit Grundschulkindern lasse sich dafür zum Beispiel über den Wert von Wasser philosophieren.