Kinder und Jugendliche in Deutschland sorgen sich vielfach, im Internet Opfer von Lästereien, Beleidigungen oder Hassnachrichten zu werden. Das geht aus dem Jugendmedienschutzindex 2022 hervor. Dass die Sorge gerechtfertigt ist, bestätigt Lennart Hesse-Sörnsen, Pressesprecher vom Verein Juuuport, der junge Menschen bei Problemen im Internet weiterhilft: „Wie rau das Klima im Internet ist, sehen wir ja regelmäßig in den Kommentarspalten von Social-Media-Plattformen.“ Unterstützung könnten Lehrkräfte bieten: nicht nur als Vertrauensperson im Falle negativer Online-Erfahrungen, sondern auch durch Präventionsarbeit.
Juuuport.de ist eine Online-Beratungsplattform, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können, wenn sie im Internet mit schwierigen Situationen konfrontiert sind, wie Datenklau, Hassnachrichten oder Cybermobbing. „Das Besondere bei Juuuport ist, dass Ratsuchende Hilfe auf Augenhöhe erhalten, nämlich von mehr oder weniger Gleichaltrigen, die genau für diese Themen ausgebildet worden sind und sich ehrenamtlich engagieren“, erklärt Vereinssprecher Hesse-Sörnsen.
Sechs bis zehn Beratungsanfragen erhielten die Juuuport-Scouts täglich, so Hesse-Sörnsen, ungefähr 70 Prozent beträfen das Thema Cybermobbing. Entscheidend für diese Einordnung: Betroffene leiden schon über einen längeren Zeitraum unter Online-Angriffen, etwa in Form von Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung. „Es ist immens wichtig, dass gerade junge Menschen wissen, an wen sie sich wenden können, wenn online was passiert, denn wie das klassische Mobbing hört Cybermobbing nicht von allein auf.“ Den Täter:innen gehe es in der Regel darum, ein Machtgefühl auszuüben. „Sie wollen unbedingt eine Reaktion von der betroffenen Person spüren, schauen, wie weit sie gehen können.“ Beim Cybermobbing könnten die Attacken darum umso härter ausfallen, weil die direkte Interaktion fehle.
Wende sich ein Schüler oder eine Schülerin in so einem Fall hilfesuchend an eine Lehrkraft, empfiehlt Hesse-Sörnsen, „sehr behutsam vorzugehen. Das Thema ist schambehaftet und Mobbingopfer fürchten sich häufig, die Schuld für ihre Lage zu bekommen.“ In solchen Situationen sei es daher wichtig, zunächst einfach zuzuhören, das Problem zu verstehen und anschließend gemeinsam mit der betroffenen Person die nächsten Schritte zu planen. „Damit Lehrer und Lehrerinnen bei Mobbing sicher agieren können, sollten sie für das Problem sensibilisiert seien“, etwa durch Fortbildungen. Unterstützung fänden sie zudem bei der Schulsozialarbeit, bei Beratungsstellen wie Juuuport oder Onlineinformationsportalen wie Schau hin! und klicksafe, die sich mit diesen Themen sehr intensiv auseinandersetzen.
„Schulen spielen bei Cybermobbing-Intervention sowie -Prävention eine wichtige Rolle, da es mit dem klassischen Mobbing ganz stark zusammenhängt“, erklärt Hesse-Sörnsen. Oftmals setze sich das Mobbing, das im Schultag stattfinde, nach Schulschluss auf WhatsApp, Instagram und Co fort. Lehrkräfte könnten daher präventiv gegen Mobbing aktiv werden, unter anderem indem sie ein gutes Klassenklima förderten, zum Beispiel mit gemeinsam erarbeiteten Klassenregeln. „Gerade was das Klassenklima angeht, haben Schülerinnen und Schüler durchaus eigene Wünsche und Vorstellungen. Und die Chance ist immer größer, dass sie die Regeln auch befolgen, wenn sie sie mitgestaltet haben.“ Schriftlich auf einem Poster festgehalten und im Klassenraum aufgehangen, dienten sie als Erinnerung und ließen sich, wenn notwendig, aktualisieren. Existiere ein Klassenchat, lohne es sich ebenfalls, auch für diesen Regeln zu entwickeln.
Lehrkräfte, die direkt das Thema Mobbing beziehungsweise Cybermobbing im Unterricht thematisieren wollten, um ihre Schüler:innen zu sensibilisieren, könnten zwischen verschiedenen Methoden wählen, so Hesse-Sörnsen. Nicht zu unterschätzen dabei: Rollenspiele. „Sie ermöglichen Schülerinnen und Schüler, verschiedene Rollen einzunehmen und sich mit diesen auseinanderzusetzen – auch mit der Rolle von Betroffenen.“ Dies könne ein erster Schritt zu einem rücksichtsvolleren Verhalten sein.
Befragung zur Onlinesicherheit
Der Jugendmedienschutzindex basiert auf einer Befragung von Eltern und deren Kindern im Alter von 9 bis 16 Jahren. Im Mittelpunkt stehen ihre Sorgen, Einstellungen, Fähigkeiten und ihr Handeln mit Blick auf das Thema Onlinesicherheit. Herausgeber der Untersuchung ist der Verein „Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter“ (FSM), der sich für den Jugendmedienschutz in Online-Medien engagiert. Für den Index 2022 befragten die beauftragten Forschungseinrichtungen Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) und das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis 805 Eltern und ihre Kinder im Zeitraum von März bis Mai 2022.