Big Data – fast unbemerkt rollt ein Schlagwort die Gesellschaft von hinten auf. Was die immer feinere Auswertung riesiger Datenberge durch immer mächtigere Computerprogramme für die Menschen bedeutet, damit beschäftigt sich Dr. Harald Gapski vom Grimme-Institut. Er sagt, auch die Medienbildung in der Schule komme an dem Thema nicht vorbei. Warum, erklärt er im Interview.
1. Herr Dr. Gapski, wenn wir von Big Data reden – was ist damit gemeint?
Im Kern beschreibt dieses Schlagwort den gesellschaftlichen Wandel durch die Digitalisierung und unsere sich dadurch verändernde Sicht auf die Welt. Unser Leben im Netz und unsere mit etlichen Sensoren ausgestatteten Geräte produzieren mehr und mehr Daten, die sich mit immer ausgefeilteren Algorithmen auswerten lassen. Dadurch kann unser Handeln mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten vorhergesagt werden. Und wer das kann, kann damit nicht nur viel Geld verdienen. Er kann auch soziale Entscheidungen beeinflussen, etwa unser Konsumverhalten, Lernprozesse oder die Kreditwürdigkeit von Personen.
2. Big Data betrifft unser Konsumleben schon?
Es gibt viele Big-Data-Anwendungen, die direkt auf unser Konsumverhalten zielen. Wenn wir zum Beispiel Rabatt-Coupons für Produkte erhalten, von denen wir noch gar nicht wissen, dass wir sie mit hoher Wahrscheinlichkeit kaufen werden. Oder wenn wir individualisierte Versicherungstarife erhalten, die auf Daten über unsere Lebensweise gründen, wie wir Auto fahren oder uns ernähren. Wollen wir reflektierte Konsumentscheidungen treffen, müssen wir das wissen.
3. Sollte Big Data Thema im Schulunterricht sein?
Auf jeden Fall sollten der digitale Wandel und die reflektierte Lebensführung in der digitalen Gesellschaft im Unterricht behandelt werden. Wir brauchen eine neue technologische Aufklärung und einen Diskurs über das Leben in unserer digitalen Welt. Medien- und Informationskompetenzen zu fördern bleibt wichtig. Programmieren unterrichten alleine greift zu kurz.
4. Was sollten Schülerinnen und Schüler denn lernen?
Schule muss auch ein Grundverständnis davon vermitteln, was unsere digitale Welt prägt: algorithmengesteuerte Informationsflüsse und die Mechanismen der Informations- und Aufmerksamkeitsökonomie. Schule muss Diskussionen über unsere Werte und Kultur anregen. Wir müssen über den Wert der Privatheit in Zeiten allgegenwärtiger Überwachung reden, über unser Menschenbild im Angesicht künstlicher Intelligenzen, und über den Stellenwert von Kreativität und dem freien Willen in Zeiten, in denen alles programmierbar erscheint. Schule sollte zur kulturellen Bildung und ethischen Reflexion in unserer digitalen Welt anregen.
5. Und der Einzelne – was kann der in Sachen Big Data tun?
Der Einzelne sollte sich schon bewusst verhalten und sich ein wenig in digitaler Selbstverteidigung üben. Aber alleine bleibt er auf verlorenem Posten. Big Data braucht einen klaren gesellschaftlichen Rahmen. Wir brauchen starke Standards für die Transparenz und die Verantwortlichkeiten in der Big-Data-Gesellschaft.
Datum: 21.03.2016
„Wir brauchen eine neue technologische Aufklärung“
Fünf Fragen an… Dr. Harald Gapski, Grimme-Institut