Handlungsorientiert, fächerübergreifend, alltagsnah – Konzepte der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und der inklusiven Bildung teilen einige Gemeinsamkeiten. „Durch die Anknüpfungspunkte lassen sich BNE und Inklusion gut miteinander verbinden“, sagt Sarah Breuer. Sie ist Koordinatorin „Inklusive Bildung für nachhaltige Entwicklung“ beim Verein Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e. V. (bezev) und engagiert sich genau dafür: dass Lehrkräfte die Überschneidungen erkennen und BNE inklusiv vermitteln.
„Wir setzen uns generell für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein und da ist es auch unser Anliegen, dass sie in der Bildungslandschaft inklusiv mit aufgenommen werden“, erklärt Sarah Breuer das Ziel von bezev. Der Verein bewege sich dabei sowohl im Bereich der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) als auch der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, der Sustainable Development Goals (SDGs). Diese fordern jeweils, dass alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung haben und – speziell laut SDG 4.7 – Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, um nachhaltig handeln zu können.
In der Unterrichtspraxis eignen sich besonders Alltagsthemen, um BNE inklusiv zu realisieren, sagt Breuer, wie: Was wächst bei uns im Garten? Was essen wir? „Damit können alle Schüler:innen etwas anfangen.“ Außerdem ermöglichten diese Schwerpunkte Lehrkräften, die Inhalte praxisorientiert aufzugreifen, etwa indem die Kinder im Schulgarten eigenes Gemüse anpflanzen oder in der Schulküche gemeinsam kochen. „Daran können Lehrer:innen wiederum anknüpfen und zum Beispiel mit ihren Schüler:innen über die Vorteile sprechen, Tomaten selbst anzubauen.“ Grundsätzlich entscheidend sei, die Inhalte solcher Unterrichtseinheiten auf die Unterstützungsbedarfe der Klasse abzustimmen.
Die notwendige Individualisierung beschreibt Sarah Breuer als größte Hürde für Lehrende, die BNE inklusiv umsetzen wollen. „Oft berichten uns Lehrkräfte von inklusiven Schulen, dass sie gerne etwas zum Thema Nachhaltigkeit machen möchten, aber kein inklusives Material finden.“ Alternativ bliebe ihnen nur die Möglichkeit, bestehendes Material in ihrer Freizeit entsprechend aufzuarbeiten. „Diese Lücke wollen wir schließen und entwickeln daher selbst inklusive Unterrichtsmaterialien zu Nachhaltigkeitsthemen.“ Diese umfassen beispielsweise Gebärdensprachevideos, Audios sowie Arbeitsblätter, die sich noch anpassen lassen. „So können Lehrkräfte für Kinder, die sich leicht ablenken lassen, vorab die Bilder entfernen oder, wenn nötig, die Texte kürzen und weiter vereinfachen.“
Unabhängig von den materiellen Voraussetzungen erfordere inklusive Bildung eine Sensibilisierung der Klasse: „Die Schüler:innen brauchen ein Bewusstsein dafür, dass Menschen alle anders sind, aber jeder mit seinen Talenten zur Gruppenarbeit oder Klassengemeinschaft beiträgt“, so Breuer. Lehrkräfte könnten diese Wahrnehmung unterstützen, beispielsweise mit dem Konzept der Helferkinder. Dabei übernimmt ein Kind eine Aufgabe für das Partnerkind, die es selbstständig nicht erledigen kann, wie Vorlesen oder Ergebnisse Aufschreiben.
Damit BNE über die jeweilige Unterrichtseinheit hinaus einen anhaltenden Effekt hat, rät Sarah Breuer, den Schulraum ebenfalls nachhaltig zu gestalten. „Es bringt ja nichts, wenn die Schüler:innen im Unterricht lernen, wie und warum sie Strom sparen sollten, aber gleichzeitig sehen, dass die Schule das selbst nicht so genau nimmt und den ganzen Tag die Flure hell erleuchtet sind.“ Anregungen für eine inklusive und nachhaltige Schulentwicklung hat bezev in Zusammenarbeit mit zwei Grundschulen im Leitfaden „Bildung für nachhaltige Entwicklung inklusiv als Aufgabe der ganzen Schule“ gesammelt und mit weiteren Schulen in der Praxis getestet. Auf dieser Basis empfiehlt Breuer folgendes Vorgehen:
- Mit gleichgesinnten Kolleg:innen und der Zustimmung der Schulleitung eine Arbeitsgruppe bilden.
- Eine Bestandsaufnahme erstellen: Inwiefern arbeitet die Schule bereits inklusiv und achtet im Alltag auf Nachhaltigkeit?
- Einen Plan entwickeln: Wie lässt sich die Schule nachhaltiger und inklusiver gestalten? In diesem Zusammenhang konkrete Aufgaben benennen, mit Fristen verknüpfen und Personen zuordnen.
- Durch regelmäßige Treffen die Entwicklung begleiten und steuern.
Es lohne sich zudem, die Schüler:innen in den Prozess einzubeziehen, sagt Breuer. „Sie können ihre Schule mitgestalten und umsetzen, was sie im Unterricht gelernt haben.“