9,87 Milliarden Euro Umsatz verzeichnet die deutsche Games-Branche für das Jahr 2022, wie der Branchenverband „Game“ vermeldet. Fast die Hälfte, rund 4,5 Milliarden Euro, erzielten die Unternehmen mit In-Game- und In-App-Käufen. Die Spieler:innen geben dabei während des Spiels Geld für digitale Inhalte aus wie zusätzliche Level, besondere Ausrüstungsgegenstände oder auch In-Game-Währung, um damit den Spielfortschritt zu verbessern. „Wenn man keine Strichliste führt, verliert man schnell den Überblick über die Ausgaben“, mahnt Diplom-Medienpädagogin Eva-Maria Weiler, freie Referentin des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg. Es sei daher wichtig, Kinder und Jugendliche auf diese Fallstricke aufmerksam zu machen. In besonderem Maße eigne sich dafür der Schulkontext: „Weil das Thema dort weniger emotional diskutiert wird als zu Hause mit den Eltern.“
Egal ob kostenfreies oder kostenpflichtiges digitales Spiel: In-Game- und In-App-Käufe sind mittlerweile weit verbreitet. Dabei können sich viele kleine Käufe zu einer großen Summe addieren, vor allem, wenn auf dem digitalen Endgerät Zahlungsdaten hinterlegt sind oder die Abrechnung über die Handyrechnung erfolgt. „Ich hatte mal einen Fall, da hat mir ein Junge erzählt, er dachte, er hätte 30 Euro ausgegeben; das Geld wollte er seinen Eltern vom Taschengeld zurückzahlen. Tatsächlich handelte es sich nachher um eine Rechnung von fast 200 Euro“, erinnert sich Medienpädagogin Weiler. In ihren Workshops mit Schüler:innen versucht sie daher, „den Kindern klarzumachen, wie die Spielehersteller ihnen eigentlich das Geld aus der Tasche ziehen“.
Weilers Ziel ist es, dass die Schüler:innen ihr Verhalten selbst reflektieren. Gaming als Hobby will sie dabei aber nicht verunglimpfen. Solange das Zocken nicht zu viel Zeit und Geld in Anspruch nehme, handele es sich um eine ebenso vertretbare Freizeitbeschäftigung wie Fußballspielen, Musizieren oder Lesen. „Es wird schwierig, das Thema offen aufzugreifen, wenn man Gaming prinzipiell ablehnt.“ Gute Erfahrungen hat die Medienpädagogin damit gemacht, die Risiken von In-Game- und In-App-Käufen in einen Workshop einzubetten, der „das ganze Gaming-Konzept“ in den Blick nimmt – von den Spielemechaniken, die zum Weiterspielen animieren, über die Geschäftsmodelle, wie sich mit digitalen Spielen Geld verdienen lässt.
Zum Einstieg ins Thema erhebt Weiler in einer anonymen Umfrage per App unter anderem, wie viel Zeit die Schüler:innen mit digitalen Spielen verbringen und wie viel Geld sie dafür ausgeben. „Diese Klassenstatistik lässt sich dann sehr gut mit größeren Statistiken vergleichen.“ Die KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest bieten beispielsweise Daten, wie viele Kinder zwischen sechs und 13 beziehungsweise zwölf und 19 Jahren, wie häufig und wie lange digitale Spiele spielen. Eine Erhebung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) unter in Deutschland lebenden Gamer:innen ab 16 Jahren liefert zudem Hinweise auf die Summen, die Spieler:innen im Schnitt für virtuelle Zusatzinhalte bezahlen. „Mit diesen Daten lässt sich dann prüfen: Liegt die Klasse im Durchschnitt? Gibt es innerhalb der Klasse Ausreißer? Und auch die Kinder sehen dann, ob sie vielleicht doch viel mehr spielen oder viel mehr Geld ausgeben als andere.“
Weilers Reflektionsansatz eigne sich ab dem Ende der sechsten Jahrgangsstufe. „Desto älter die Kinder werden, umso bewusster sind sie sich, wie viel sie für In-Game- oder In-App-Käufe ausgeben.“ Trotzdem komme es vor, dass Kinder bis zu 80 Euro oder mehr im Monat für digitale Zusatzinhalte bezahlen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. „Eltern in die Präventionsarbeit einzubeziehen und sie für die Risiken zu sensibilisieren, ist daher total wichtig.“ Schließlich könnten sie schon mit einfachen Methoden wie einer Passwortabfrage spontane Digitalkäufe verhindern oder zumindest erschweren.
Online-Fortbildung zu In-Game-Käufen
Weitere Anregungen, wie sich das Thema „In-Game-Käufe“ im Unterricht mit Jugendlichen bearbeiten lässt, damit sie sich vor unbewussten und unkontrollierten Käufen innerhalb von Online-Spielen schützen können, bietet das Verbraucherchecker-Modul „Abgezockt beim Zocken: In-Game-Käufe und Lootboxen“. Im Zuge der gleichnamigen Online-Fortbildung (Dienstag, 05.12.2023, 16 bis 17.30 Uhr) erhalten Lehrkräfte einen Einblick in das Material. Zuvor führt Sabrina Wagner, Referentin im Team Marktbeobachtung Digitales des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), fachlich in die Thematik ein.
Das Projekt „Verbraucherchecker“ des vzbv hat zum Ziel, Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren zu informierten und kritischen Verbraucher:innen auszubilden. Als Peer-Scouts sollen diese jungen Expert:innen wiederum ihr Wissen an andere Jugendliche weitergeben. Die Ausbildung übernehmen qualifizierte Trainer:innen; sie ist kostenfrei und eine Anmeldung jederzeit möglich. Lehrkräfte können mit einer größeren Lerngruppe oder der gesamten Klasse teilnehmen.