Verbraucherbildung nimmt am nordrhein-westfälischen Hubertus-Schwartz-Berufskolleg in Soest einen hohen Stellenwert ein. Nicht nur setzt das Kollegium Maßnahmen in allen vier Handlungsfeldern um – Finanzen, Medien, Nachhaltigkeit sowie Ernährung und Gesundheit –, es verfolgt die Ziele auch auf übergeordneter Ebene der Schulentwicklung. Für diesen ganzheitlichen Ansatz, Verbraucherbildung im Schulalltag zu verankern, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) das Berufskolleg dieses Jahr als Verbraucherschule Gold ausgezeichnet. Im Interview verrät Hubertus Gosmann, Diplom-Handelslehrer und Stellvertretender Schulleiter, das dahinterstehende Erfolgsrezept.
Wie die Auszeichnung zur Verbraucherschule Gold zeigt, legt das Hubertus-Schwartz-Berufskolleg viel Wert auf Verbraucherbildung. Wieso setzen Sie diesen Schwerpunkt?
Wir sind ein kaufmännisches Berufskolleg und in der DNA unserer Schulform liegt, dass wir Themen behandeln, die einen hohen Lebens- und vor allem Arbeitswelt-Bezug haben, Themen, bei denen man die Relevanz erkennt. Und die Verbraucherbildung setzt da noch einen drauf. Wir holen damit Themen ins Haus, die den Lebensweltbezug noch deutlicher bedienen. Das ist für die Schülerinnen und Schüler einfach wertvoll, und ich glaube, da steckt unsere große Chance drin, die Schüler zu erreichen, sie zu unterstützen, ein lebensfähiger junger Mensch zu sein, der in der Lage ist, sein Leben gut zu gestalten.
Die Auszeichnung bedeutet ja, dass Sie an Ihrer Schule Verbraucherbildung auch aktiv in die Schulentwicklung einbeziehen. Wie funktioniert das in der Praxis?
Das Thema habe ich so ein bisschen in meine Schule hineingetragen, weil ich nach einer Schulentwicklungsmöglichkeit suchte, mit der wir uns noch stärker profilieren können. Wir haben seinerzeit schon viele Maßnahmen im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung und Schule der Zukunft umgesetzt, aber das Ganze hatte keinen einheitlichen Guss. Und ich habe relativ schnell erkannt, dass die Verbraucherbildung im Grunde eine Art Meta-Konzeption ist, die man wie so eine Schablone über die Schule legen kann. Dabei habe ich dann bemerkt, dass wir einige Bereiche schon ausfüllen. So sind wir auch weiter vorgegangen, wir haben erst mal geguckt: Was haben wir schon an Einzelmaßnahmen? Wo sind wir stark? Das sind wir beispielsweise im Bereich Finanzen, Verbraucherrechte, Medien; alles, was unserem kaufmännischen Bereich naheliegt. Wir haben anschließend die Bereiche, in denen wir nicht so stark sind, etwa Ernährung und Gesundheit, nach und nach ausgefüllt, sodass wir uns über die Auszeichnung zur Verbraucherschule Silber, die wir ad hoc erreichen konnten, zur Stufe Gold hochgearbeitet haben.
Wie zeigt sich dieser Schulentwicklungsschwerpunkt im Schulalltag?
Wir setzen viele verschiedene Aktionen um. Eine meiner Lieblingsaktionen ist das Repair-Café. Wir haben hier einen Tausendsassa an Physiklehrer, der irgendwie alles kann, und der hat das Repair-Café als Differenzierungskurs in den Stundenplan eingebaut. Die Schülerinnen und Schüler des Kurses reparieren alles, was in der Schule so anfällt, defekte Staubsauger, unsere Kaffeemaschine im Lehrerzimmer. Es geht darum zu merken, dass man nicht alles sofort wegschmeißen muss. Und ich erlebe immer wieder, wie die sich freuen, wenn sie ein Teil wieder ans Laufen gekriegt haben. Sie haben jetzt sogar expandiert und eine große Fahrradstation installiert, um Fahrräder zu reparieren. Darüber hinaus haben wir Projekte im Unterricht: Fast Fashion versus Made in Germany ist bei uns zum Beispiel ein Riesenthema.
Welche Effekte konnten Sie im Kollegium und in der Schülerschaft beobachten, die durch den Fokus auf die Verbraucherbildung entstanden sind?
Vor allen Dingen geht damit ein unheimlicher Ideenreichtum einher, weil das Ganze sehr im Gespräch ist, sehr präsent ist, und die Vielfalt an Themen so groß ist, dass für jeden Beteiligten was dabei ist. Wir wollen demnächst noch ein Wichtel-Regal einrichten, eine Tauschbörse für Dinge, die eine zweite Chance brauchen, um damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Und wir haben jetzt erstmals in diesem Schuljahr Verbraucherchecker ausgebildet. Wir setzen damit verstärkt auf Peergroup Education, sodass die Schülerinnen und Schüler die Dinge, die wichtig sind, in ihrer Sprache hören und von Leuten, die auf gleicher Augenhöhe sind, die noch näher an sie herankommen.
Verbraucherchecker werden
Das Projekt „Verbraucherchecker“ des vzbv hat zum Ziel, Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren zu informierten und kritischen Verbraucher:innen auszubilden. Als Peer-Scouts sollen diese jungen Expert:innen wiederum ihr Wissen an andere Jugendliche weitergeben. Die Ausbildung übernehmen qualifizierte Trainer:innen; sie ist kostenfrei und eine Anmeldung jederzeit möglich. Lehrkräfte können mit einer größeren Lerngruppe oder der gesamten Klasse teilnehmen.
Was empfehlen Sie anderen Schulen, die Verbraucherbildung ebenfalls in ihre Schulentwicklung einbeziehen wollen?
Unbedingt Bottom-up arbeiten, das Thema aus der Schule herausziehen. Darin liegt für mich das Erfolgsrezept. Ich habe hier ein Team gebildet mit 16 Kolleginnen und Kollegen, vier für jedes Handlungsfeld, die erst einmal eine Bestandsaufnahme gemacht haben, wo unsere Stärken und Schwächen liegen – und das hat sich sehr bewährt. Da ist eine richtige Lust entstanden, die schwachen Bereiche gezielt auszubauen. Meines Erachtens eignet sich dieser Schulentwicklungsbaustein für jede Schule, von der kleinen Dorfgrundschule bis zur großen Bündelschule. Verbraucherbildung ist so vielfältig, dass sie zu jeder Einrichtung passt. Ich würde fast sogar noch weitergehen und sagen, dass sie auch in jeden Kindergarten passt.