Rund elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entstanden laut aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamtes 2020 in Deutschland, der Großteil davon – 6,5 Millionen Tonnen – fiel in privaten Haushalten an. Demnach warfen Verbraucher:innen in dem Jahr im Durchschnitt etwa 78 Kilogramm Lebensmittel weg, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorrechnet. Der Verein RESTLOS GLÜCKLICH ist überzeugt: Lebensmittelverschwendung lässt sich durch Bildungsarbeit vorbeugen – am besten schon ab der Vorschule.
„Um zu verstehen, wie wir mit unseren Lebensmitteln umgehen sollten, müssen wir erst mal den Wert der Nahrung nachvollziehen können“, sagt Nina Carryer, Bildungsreferentin bei RESTLOS GLÜCKLICH. Zu diesem Zweck lenken die Bildungsprojekte des Vereins die Aufmerksamkeit auf die Produktion eines Lebensmittels:
- Wie viel Wasser wird verbraucht?
- Wie viel C02 und andere Treibhausgase werden freigesetzt?
- Wie viel Ackerfläche wird benötigt?
- Wie viel Arbeitskraft, Zeit und Aufwand sind notwendig?
„Das sind Punkte, die wir in unserem Alltag – ich nehme mich da nicht aus – ganz leicht vergessen, weil uns im Supermarkt ständig alles zur Verfügung steht. Wir haben uns an diesen Überfluss gewöhnt und dadurch ist es schwierig, den Wert zu sehen, der eigentlich in jedem Lebensmittel steckt.“
Interaktive Workshops mit geretteten Lebensmitteln
Praxisorientiert verbinden die Bildungsprojekte diese Sensibilisierung mit einem interaktiven Workshop. „Es geht darum, Essen erlebbar zu machen, Essen zu zelebrieren“, so Bildungsreferentin Carryer. Im Mittelpunkt stehen dabei vom Verein gerettete Lebensmittel aus einem kooperierenden Biomarkt: Brot, Obst und Gemüse, das andernfalls im Müll gelandet wäre. „Mit diesen Lebensmitteln fahren wir an die Schulen, in die Kitas oder in die Jugendclubs, um den Kindern und Jugendlichen ganz eindrücklich die Ausmaße der Lebensmittelverschwendung im Bereich Einzelhandel darzustellen.“ Über diesen Aspekt führen die Bildungseinheiten den Blick auch nach Hause und zu den Fragen:
- Warum fallen die meisten Lebensmittelabfälle zu Hause an?
- Wofür steht das Mindesthaltbarkeitsdatum?
- Wie lassen sich Lebensmittelabfälle beim Kochen vermeiden und wie aussortierte Lebensmittel oder Reste verwerten?
„Aus Möhrengrün kann man zum Beispiel einwandfrei Pesto machen oder es im Salat verwerten. Etwas hart gewordenes Brot schmeckt super als Brotchips, Arme Ritter oder als Brotlette.“ Natürlich gebe es Kinder, die es zunächst eklig fänden, einen Apfel zu essen, der eine braune Stelle hat. „Aber sobald sie selbst daraus Apfelmus machen oder einen Smoothie und die braune Stelle nicht mehr zu sehen ist, ist das überhaupt kein Problem mehr.“
Schulung und Handreichung für Lehrkräfte
Der Verein RESTLOS GLÜCKLICH bietet verschiedene Workshop-Formate rund um die Themen Lebensmittelwertschätzung und klimaverträgliche Ernährung an, darunter eine Schulung für Multiplikator:innen wie Lehrkräfte. Darüber hinaus entwickelt er derzeit eine kostenlose Handreichung, die es Lehrkräften ermöglichen soll, einen interaktiven Grundschulworkshop zum Thema Lebensmittelwertschätzung eigenständig umzusetzen. „Es gibt eine wahnsinnig hohe Nachfrage, die wir einfach nicht bedienen können“, erklärt Bildungsreferentin Nina Carryer den Schritt. Die Handreichung soll im Dezember erscheinen. Anschließend plant der Verein, passende Schulungen anzubieten. RESTLOS GLÜCKLICH arbeitet außerdem gerade an einer Neuauflage seiner kostenlosen Grundschulworkshops in den Schulen.
Besonders wichtig ist dem Verein zu verdeutlichen, dass nachhaltige Ernährung kein Verlust, sondern ein Gewinn ist. „In diesem Zusammenhang dominiert das Narrativ des Verzichts. Wir wollen aber zeigen, dass auch mit aussortierten Lebensmitteln und Resten superleckere Speisen möglich sind. Klima retten kann lecker schmecken“, erklärt Nina Carryer. Statt also Fleischverzehr zu verdammen, kochen die Bildungsreferent:innen des Vereins mit den Kindern ein veganes Drei-Gänge-Menü, ganz selbstverständlich, ohne das Thema pflanzliche Ernährung in den Vordergrund zu stellen. Damit seien gleich mehrere Vorteile verbunden: „Die Gerichte sind koscher und halal und mit vielen Diäten kompatibel.“ Außerdem lernten die jungen Teilnehmer:innen ungezwungen Alternativen zu Fleischgerichten kennen, die sie – wenn es ihnen schmeckt – auch zu Hause kochen können.
Zum Abschluss erhalten die Kinder die Auszeichnung zu Lebensmittelretter:innen. „Wir betonen dann noch einmal, dass sie gerade ein Drei-Gänge-Menü aus Lebensmitteln gekocht haben, die eigentlich im Müll gelandet wären“, sagt Carryer. Bestärkt durch dieses Erlebnis, so ihre Erfahrung, gingen die Kinder stolz nach Hause, um ihr Wissen in die Familie zu tragen. „Im Vergleich zu vielen anderen Bereichen ist es beim Essen super einfach, im Alltag nachhaltiger zu handeln“, sagt die Bildungsreferentin. „Man muss nur wissen, wie.“